Sara Gran erhielt für das hier besprochene Buch "Die Stadt der Toten" den deutschen Krimipreis 2013 in der Kategorie International


"Die beste Ermittlerin der Welt" - das tönt vielversprechend! Mein Krimiflüsterer Rolf Wesbonk hat das neue Buch der jungen Amerikanerin Sara Gran "Die Stadt der Toten" für Sie gelesen


Sara Gran, Die Stadt der Toten. Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt. Claire DeWitt Band 1
Droemer
360 Seiten Fr. 23.50

Vergnügliche Reise mit der "besten Ermittlerin der Welt"

Mein Klient hiess Leon Salvatore. Männlich, Ende vierzig, mit angegrauter Zottelfrisur und einer Art Bart, der womöglich nur das Resultat einiger Wochen ohne Rasur war. Leon sah aus wie ein alter Hippie, der nie in seinem Leben ein echter Hippie gewesen war. Er trug Jeans und ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Cameron Parish Crawfish Festival 2005“. Darüber leuchtete ein roter, breit grinsender Flusskrebs, der sich in einen Kochtopf warf.

Leon bestellte ein Bier. Ich wollte einen Pimm’s Cup und einen Teller Jambalaya.

„Also gut“, sagte ich, „wann haben Sie Ihren Onkel das letzte Mal getroffen?“

„Getroffen?“, sagte Leon. „Tja, das weiss ich nicht mehr. Vielleicht ein paar Monate davor.“

„Schön“, versuchte ich es noch einmal, „wann haben Sie das letzte Mal mit ihm gesprochen? Oder anderweitig seine Position in Raum und Zeit bestimmen können. Sie verstehen schon.“

„Oh, okay“, sagte Leon erleichtert. „Ich habe Sonntag mit ihm telefoniert, am Abend vor dem Sturm.“

Vergessen Sie alles, was Sie bisher über private Ermittler/innen gelesen und gehört haben. Die Autorin Sara Gran schickt hier erstmals ihre wundervolle Privatdetektivin Claire DeWitt durch die dunklen Seiten des Lebens auf Spurensuche. Die Ermittlerin soll – wie einleitend gelesen – den Onkel von Leon Salvatore auffinden. Leon sagt, er habe diesen zum letzten Mal vor dem Sturm gesprochen. Gemeint ist hier der Hurrikan „Katrina“, der New Orleans verwüstete. In diesem unglaublichen Durcheinander der zerstörten Stadt macht sich Claire DeWitt daran, den verschollenen Staatsanwalt Vic Willing aufzuspüren.

Und die gemäss eigenen Angaben „beste Privatdetektivin der Welt“ tut dies mit ungewöhnlichen Methoden. Sie vertraut dabei unter anderem auf ein Handbuch eines ehemaligen Meisterdetektivs mit dem Namen Jacques Silette, auf I-Ging-Münzen sowie Traumdeutungen. Als sie von Leon einmal gefragt wird, wie sie bei der Suche vorgehen werde, erwiderte Claire DeWitt: „Ich werde abwarten und sehen, was passiert.“ Sara Gran hat hier ein herrliches Buch geschrieben, das die gewohnten Erzählmuster verlässt, Ein kühn gefeilter Roman, der vor allem Frauen ansprechen könnte.

Rolf Wesbonk

 

Sara Gran
Bevor Sara Gran, geboren 1971 in Brooklyn, hauptberuflich Schriftstellerin wurde, hat sie in einer Vielzahl von Berufen gearbeitet, die aber allesamt mit Büchern zu tun hatten. Nach ausgedehnten Weltreisen lebt sie nun in Kalifornien.


Homepage von Sara Gran

Rolf Wesbonk, Stäfa
rwesbonk@gmail.com für Ihre Feedbacks
Rolf Wesbonk (rwe.)
Redaktioneller Mitarbeiter NZZ Sport
Geboren 1942 in Adliswil. Aufgewachsen im Sihltal. Nach der Lehre als Fabrikspengler Weiterbildung an der Abendhandelsschule. Disponent im Anzeigen-Service der NZZ. Von 1980 bis 2002 freier Mitarbeiter. Seither redaktionelles Mitglied im Sport mit dem Schwergewicht Fussball. Autor von drei Kriminalromanen, die in Zürich und Umgebung spielen - mit dem ehemaligen Fussballer Dillmann als Protagonisten.


Archiv

März 2008: Gianrico Carofiglio, Das Gesetz der Ehre
Juli 2008: Chris Harrison, Siesta italiana
August 2008: Jeffery Deaver, Die Menschenleserin
September 2008: John Harvey, Schlaf nicht zu lange
Oktober 2008: Norbert Horst, Sterbezeit
November 2008: Michael Connelly, Kalter Tod
Dezember 2008: Jilliane Hoffman, Vater unser
Januar 2009: Sjöwall/Wahlöö, Die Tote im Götakanal
Februar 2009: Richard Stark, Keiner rennt für immer
April 2009: Esmahan Aykol, Scheidung auf Türkisch
Mai 2009: Raymond Chandler, Der lange Abschied
Juni 2009: Petros Markaris, Die Kinderfrau
Juli 2009: Carl Hiaasen, Sumpfblüten
August 2009: Jan C. Wagner, Im Winter der Löwen
September 2009: Peter Robinson, Verhängnisvolles Schweigen
November 2009: David Peace, Tokio im Jahre Null
Dezember 2009: Christiane Ritter, Eine Frau erlebt die Polarnacht
Februar 2010: James Sallis, Dunkle Schuld
März 2010: Don Winslow, Frankie Machine
April 2010: Helen Tursten, Die Tote im Keller
Juli 2010: Ferenc Máté, Die Hügel der Toskana. Mein neues Leben in einem alten Land
August 2010: Phillip Gwynne, Vor dem Regen
Oktober 2010: Pete Dexter, God's pocket
Dezember 2010: Ake Edwardson, Toter Mann
Januar 2011: Elizabeth George, Wer dem Tode geweiht
April 2011: Scott Turow, der letzte Beweis
August 2011: Friedrich Ani, Süden
September 2011: Marco Malvaldi, Im Schatten der Pineta
November 2011: Paul Temple, Wahrheit
Dezember 2011: Ferdinand von Schirach, der Fall Collini
März 2012: Michael Robotham, Dein Wille geschehe
April 2012: Jussi Adler-Olsen, Erlösung
Juni 2012:
Jaimy Gordon, Die Aussenseiter
September 2012: Nicci French, Blauer Montag

OBEN

ZURÜCK ZUR STARTSEITE