Persönlicher Tipp von Enrico Danieli

Ernst Weiss, der Augenzeuge

   

Suhrkamp TB 2000
296 Seiten Fr. 19.—

Es gilt auf einen Autor hinzuweisen, dessen Bedeutung bis heute nicht genügend erkannt ist.

Ernst Weiss, Arzt und Schriftsteller, (1882 – 1940, am 15. Juni, nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Paris, nimmt er sich das Leben) stammt aus dem mährischen Brünn. Er studierte in Prag und Wien Medizin und liess sich in Berlin und Bern (unter Theodor Kocher) zum Chirurgen ausbilden. Den Weltkrieg machte er im Sanitätsdienst mit, an der Front wie im Hinterland. Zu Beginn der zwanziger Jahre gab er seinen Beruf auf und widmete sich ganz dem Schreiben. Er verfasste Romane, Novellen, Essays und verschaffte sich einen Namen in literarischen Kreisen. Im Exil in Paris entstanden ab 1936 die grossen Romane: "Der arme Verschwender" (Stefan Zweig gewidmet), "Der Verführer" (Thomas Mann zugedacht).

Im 1938 entstanden Roman Der Augenzeuge zeichnet Ernst Weiss Adolf Hitler als Kranker. Eine prophetische Vorwegnahme des Europa heimsuchenden faschistischen Wahns. Ernst Weiss erzählt die Geschichte eines Arztes, der gegen Ende des ersten Weltkrieges den psychisch gestörten Gefreiten Adolf Hitler behandelt, heilt, und damit unwissentlich dessen spätere Karriere als Dämon ermöglicht. Der Held der Erzählung- in Ich-Form – leidet doppelt an seiner humanitären Tat: Einerseits als Mitverantwortlicher für Hitlers Untaten, andererseits wird er selber Opfer von Hitlers Polizei:Als Erzähler und in einem zusätzlich tragischen Sinn als Autor in Paris im Jahre 1940. Ein ergreifendes, als Lebensgeschichte angelegtes Buch, das vom Ende des Weltkriegs bis zum spanischen Bürgerkrieg reicht und an die Tradition des deutschen Bildungs- und Entwicklungsromans anknüpft.

Die Veröffentlichung seines letzten und erfolgreichsten Romans konnte Ernst Weiss nicht mehr erleben. Nach vielen Wirrungen erschien der Roman als literarische Sensation erstmalig 1962. Die Mühe,die Ernst Weiss bei der Niederschrift hatte, hatte sich also doch noch gelohnt.

Monströs war ihm, wie er in Briefen schreibt, die Gestalt A.H.s. vorgekommen; und ich hatte lange Zeit das Gefühl, diesem nicht Herr werden zu können .....


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