In
der ehemaligen Sowjetunion dürfen verdienstvolle Genossen nach
Paris oder London reisen, Paris im Sommer, London im Herbst, wenn
es zu regnen anfängt. Die saisonalen Einschränkungen sind
nötig, weil ihnen ein potemkinsches Dorf irgendwo in der südrussischen
Steppe vorgeführt wird. Onkel Boris wird der Parisbesuch zu
einem unvergesslichen Erlebnis. Das wirkliche Paris besuchen Freunde
des Icherzählers. Sie sind mittellos und wollen Geld verdienen.
Einige geraten mit dem Gesetz in Konflikt und werden ausgewiesen.
Das reelle Paris kommt in seinem Gehalt nicht annährend an
das virtuelle heran. In einer anderen Geschichte profitieren Bewohner
eines Dorfes auf der Krim vom berühmten Flugzeugabsturz im
zweiten Weltkrieg des bekannten Malers Josef Beuys und von seiner
Erzählung, dass er von der dortigen Bevölkerung freundlich
aufgenommen und gesund gepflegt worden sei. Sie verkaufen deutschen
Touristen Reliquien des Ereignisses: Teile des Flugzeuges, Stiefel
des Künstlers, alles selbstgebastelter Ramsch, ja ein Mann
gibt sich als Sohn von Beuys aus.
Eine
amüsante, luftig geschriebene Reisegeschichte löst die
andere ab. Beim Lesen verzichtet man bald auf die Frage: was ist
nun wirklich passiert. Schein und Sein vermischen sich. Man schwimmt
in einem Fluss von eleganten einfachen Sätzen, und man erlebt
ständig neue komische Momente, etwa wenn sich Asylbewerber,
die mit einem Hungerstreik den Aufenthalt in Dänemark erzwingen
wollen, bitter darüber beklagen, dass sie immer die gleiche
Suppe essen müssen.
Ein
fabelhaftes Fabulierbuch des begabten in Berlin lebenden russischen
Autors der "Russendisco".
Archiv
Juni
2002 Enrico Danieli
Juli
2002 Bernhard Gurtner
August
2002 Erhard Taverna
September
2002 Hansruedi Gehring
Oktober
2002 Bernhard Gurtner
OBEN
|