Da
ist nun die Besprechung vom 24.Februar 2013
Der US-Autor Jonathan Franzen seziert sein Leben und die Mühen des Schreibens Von Urs Rauber Bücher am Sonntag vom 24. Februar 2013
Thematisch steht in Franzens Romanen das Auseinanderfallen dysfunktionaler Familien im Mittelpunkt. Die Familienmitglieder werden dabei sowohl als Einzelpersonen als auch in ihrem Verhältnis zueinander beleuchtet. Zugleich weisen seine breit angelegten Werke – Die Korrekturen wie auch Freiheit umfassen jeweils über 700 Seiten – auf Zusammenhänge und Ähnlichkeiten zwischen dem Einzelschicksal ihrer Charaktere sowie gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen hin. Unter anderem beschäftigen sie sich mit modernen Problematiken wie Globalisierung, Umweltverschmutzung und dem „Krieg gegen den Terror“, aber auch mit dem Kapitalismus im Allgemeinen. Franzen wurde in Western Springs (Illinois) als jüngster von drei Brüdern geboren und wuchs in Webster Groves (Missouri), einem Vorort von St. Louis, auf. Er studierte am Swarthmore College und erwarb 1981 mit Auszeichnung einen Bachelor of Arts in Germanistik. 2005 verlieh ihm das College die Ehrendoktorwürde. Nach seinem Abschluss studierte er im Rahmen des Fulbright-Programms an der Freien Universität Berlin, von daher spricht er sehr gut Deutsch. 1982 heiratete er die Schriftstellerin Valerie Cornell und nahm einen Wochenendjob am seismologischen Labor des Department of Earth and Planetary Sciences der Harvard University an, um den gemeinsamen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die beiden trennten sich 1994 und sind inzwischen geschieden. 1988 erschien Franzens erster Roman The Twenty-Seventh City (dt.: Die 27ste Stadt), der zwar einige wohlwollende Kritiken erhielt, jedoch keine breite Leserschaft fand. Sein zweiter Roman Strong Motion (dt.: Schweres Beben) wurde 1992 weder von der Kritik noch vom Publikum begeistert aufgenommen. Dennoch gelang es Franzen aufgrund eines 200-seitigen Entwurfs, die Rechte an seinem neuen Roman The Corrections (dt.: Die Korrekturen) 1996 an den Verlag Farrar, Straus and Giroux zu verkaufen. Als das Werk 2001 unmittelbar vor den Anschlägen am 11. September schließlich erschien, brachte es bei Publikum und Kritik gleichermaßen seinen Durchbruch. Unter anderem wählte Oprah Winfrey den Roman für Oprah’s Book Club aus, was in der Regel einen starken Anstieg der Verkaufszahlen nach sich zieht. Nachdem Franzen sich in einem Interview zu dieser Nominierung zwiespältig geäußert hatte, zog Winfrey die Einladung in ihre Fernsehshow jedoch wieder zurück und besprach stattdessen ein anderes Buch. Die Kontroverse zog ein breites Medienecho nach sich, in dessen Rahmen Franzen teils heftig für seine Kommentierung kritisiert wurde. Unmittelbar nach Erscheinen von Die Korrekturen nahm Franzen die Arbeit an einem neuen Roman auf, verwarf jedoch zunächst alles, was er schrieb. Stattdessen veröffentlichte er 2002 eine Sammlung von Essays, How to Be Alone (dt.: Anleitung zum Alleinsein), und 2006 eine Sammlung autobiografischer Erzählungen, The Discomfort Zone (dt.: Die Unruhezone: Eine Geschichte von mir), die sich von der Zeit seiner Kindheit und Jugend über das Zusammenleben mit und der Trennung von seiner Frau bis zum Tod seiner Eltern und der Zeit nach dem Erfolg von Die Korrekturen erstrecken. Im August 2010 erschien, begleitet von größter Aufmerksamkeit der amerikanischen Medien, Franzens vierter Roman Freedom (dt.: Freiheit). Nachdem er ein Vorabexemplar an Winfrey geschickt hatte, wählte sie wiederum (diesmal mit seiner ausdrücklichen Zustimmung) sein Buch für ihren Buchclub aus. Im selben Jahr wurde der Schriftsteller Mitglied der Akademie der Künste in Berlin. In seiner freien Zeit beobachtet Franzen gerne Vögel. Dazu steht er meist in der Dämmerung auf, um auch ihren Gesang zu hören zu können. Wo immer er sich gerade aufhält, plant er auch einen Abstecher zu bekannten Vogelnistplätzen. Franzens
Lebensgefährtin ist die Schriftstellerin Kathryn Chetkovich, mit
der er abwechselnd an der Upper East Side in New York und in der Nähe
von Santa Cruz, Kalifornien lebt.
Rauber besuchte die Stiftsschule Einsiedeln und immatrikulierte sich anschliessend für ein Studium der Geschichte, Publizistik und Neueren deutschen Literatur an der Universität Zürich sowie der Ludwig-Maximilians-Universität München. Dieses konnte er 1985 mit einer Dissertation über Schweizer Industrie in Russland und damit verbundener Promotion abschliessen. Erste journalistische Erfahrungen sammelte Rauber bei einer Gewerkschaftszeitung. 1987 erhielt er eine Anstellung beim Schweizerischen Beobachter. Für diesen arbeitete er bis 2001 als Redaktor, ehe er in gleicher Funktion zur NZZ am Sonntag wechselte. Zusätzlich obliegt ihm dort auch die Verantwortung für die Beilage «Bücher am Sonntag». Urs Rauber
ist verheiratet, hat zwei Söhne und lebt in Zürich.
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