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Buchbesprechungen
von Cornelia Böhler
Hin und wieder werden Sie hier eine Buchbesprechung lesen, die von der
Autorin und Journalistin Cornelia Böhler, Maur, verfasst ist. Sie
versucht uns Frauen nahezubringen, Autorinnen, Persönlichkeiten und
Geschichten vorzustellen, die nicht nur Frauen etwas zu sagen haben.
Margarete
Mitscherlich, Eine Liebe zu sich selbst, die glücklich macht
S. Fischer Verlag
272 Seiten Fr. 27.50
Buchbesprechung
von Cornelia Böhler
Was für
ein frecher Titel, der 94jährigen Grande Dame der Psychoanalyse zum
Abschluss ihres Lebens! Auf dem Buchumschlag zeigt sie zart geschminkt
ihr Gesicht von unzähligen Hautfalten durchfurcht dazu kokett frisiert
mit klaren blauen Augen. Sie hat bis zuletzt geschrieben und das was sie
hinterliess ist sehr lesenswert. Ihre Sprache ist intellektuell aber einfach,
mit vielen Schlagsätzen. Ihre Gedanken sind keineswegs veraltet,
ja sie kann uns Frauen sogar Hoffnung machen, weil sie von viel schlimmeren
Zeiten weiss, als wir jüngeren und als Schweizerinnen ohne Krieg
ausgekommenen. Im ersten von vier Kapiteln beschreibt sie einige Frauen,
die wir alle zu kennen glauben, und es ist lustig mit welchem Detailreichtum
die Autorin von Simone de Beauvoir, Anna Feud und der damaligen Situation
in der Psychoanalyse erzählt. Auch von Knatsch und Tratsch - so erfrischend!
Im zweiten Kapitel wird es ernst, die immer wieder aktuelle Situation
der Geschlechter - heute Gender genannt - wird in einer kurzen Historie
von ihr dargesellt. Auch Informationen werden hier zusammengezogen, und
scharf beleuchtet,die ich nicht kannte. Der Feminismus von Mitscherlich
ist also ein forschender bis zu ihrem Lebensende, ja sie freut sich, dass
es eine Kanzlerin gibt, da es nicht viel zu freuen gab im Deutschland
des zwanzigsten Jahrhunderts, das sie als wohl das grausamste Jahrhundert
aller Zeiten darstellt. Daher erstaunt es mich nicht, dass ein grosses
drittes Kapitel der kollektiven und individuellen Trauer gewidmet ist.
Hier frägt sich die Autorin selbst: „Was hat mir mein Beruf
geholfen, damals als ich in einem langen Leiden meinen Mann verlor, meinen
wichtigen Gesprächspartner?“ und sie spricht ausführlich
über Empathie, die sie ganz normal Einfühlung oder im weiteren
Sinn Zuwendung nennt. Diese Schlüsselwerte-Schlüsselworte seien
ihr stärkster Antrieb für ihre eigene Forschung und Berufstätigkeit
gewesen. Danke Margarete! Zum Schluss ein Trost im Kapitel ihres Werdegangs
mit dem Titel „Das kleine Mädchen, das ich war“. Das
Ich altert nicht, so ihre These und frau kann ganz normal mit Ambivalenz
leben, also die eigene Mutter hassen und sie zugleich lieben. Was sie
allerdings sich selber nie verzeihen würde, wäre ein Übermass
an Eitelkeit und der Wunsch nach Einzigartigkeit. Das lässt uns Selbstdarsteller
im 21. Jahrhundert aufhorchen. Zugleich aber spricht sie von ihrem Kampf,
diesen Wunsch zu unterdrücken - und hier spricht die Psychoanalytikerin
ganz frei: Wunschunterdrückung funktioniert nicht! Zum Glück,
möchte ich sagen, bleiben uns doch ihre klug notierten Gedanken!
Cornelia
Boehler wurde 1943 in Zürich geboren
Aufgewachsen im kinderreichen Quartier Friesenberg. Mit vierzehn Tagebuch
für die Jugendseite des Tages-Anzeigers Zürich, Handelsschule,
Tätigkeit im Marketing. Redaktionsmitglied der Gemeindezeitung, Korrespondentin
beim Anzeiger von Uster.
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