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Buchbesprechungen von Cornelia Böhler, Maur

Cornelia Böhler schreibt mir zu Ihrer Buchbesprechung: "Für die langen Rauhnächte - gleichzeitg klassisch und aktuell, sprachlich unglaublich ausgefeilt"

Edna O'Brien, Das Mädchen mit den grünen Augen
detebe Diogenes Taschenbücher Nr. 20879
Fr. 14.90

Buchbesprechung von Cornelia Böhler

Irland, so grün wie Ednas Augen

Auf Arte-TV gab es eine Serie über die Schriftsteller Europas, dabei fand ich speziell Irland sehr interessant. Gleich je ein Buch habe ich gekauft, der 4 Schriftsteller, die in eigenen Worten ihr Land - sogar eingegrenzt in ihre Region - vorstellten und literarisch zu erfassen versuchen. Erstaunlicherweise bin ich dann bei der ältesten der Schriftsteller hängen geblieben - sei es wegen des fraulichen Themas, sei es weil sie mir mit ihren 82 Jahren so unglaublich hübsch, lebendig und vorsichtig formulierend im Interview gefallen hat.

Ihr Kammerstück, die Erzählung über zwei erwachsen werdender Irländerinnen, deren Männer, verkompliziert durch ihre Familien und den dazugehörigen Landschaften und Wetterstimmungen, hat mich so begeistert, dass ich es hier weiterempfehle. Das Mädchen mit den grünen Augen ist um die Zwanzig, arbeitet im Norden von Dublin und erlebt die Sechziger Jahre wie im Roman: Ihre Arbeit ist eintönig, schlecht bezahlt, ihre Freundin ist übermütig, doch vom gleichen Dorf hieher gezogen, die Pension in der sie wohnen, voller kosmopolitscher Ueberraschungen.

Diese Ich-Figur und weitere Protagonisten werden von der Schriftstellerin in feinster Ziselierung ihres Charakters, ihrer Erscheinung und ihrer Eigenschaften ins Zentrum gestellt, in einem Irland, das noch arm ist, doch voller klimatischer und sozialer Eigenheiten. Wenn Geld ausgeliehen wird, ist das meist normal, es ist auch nicht gesagt, dass es zurückkommt, doch der Zusammenhalt ist entweder vorhanden - oder mann und frau prügelt sich.

Caithleen, das Mädchen mit den grünen Augen, lernt einen imposanten Mann kennen, der ihr sehr gefällt, sie schafft es ihn für sich zu interessieren und von ihm eingeladen zu werden. Zum Tee werden Butterbrot, Kuchen, Rosinenbrötchen und Keks verschlungen und lange Gespräche geführt, hin und wieder zitieren je nachdem die junge Frau und der ältere Herr James Joyce oder andere irische Dichter, denn ihr gemeinsame Leidenschaft ist das Lesen. Die Spirale einer vorsichtigen Liebe entwickelt sich. Die unterhaltenden und rohen Episoden mit den Kumpels ihres Alters werden seltener und die Psychologie einer langsam wachsenden grossen Liebe entfaltet sich. O‘Brien gestaltet beide Protagonisten mit einfachen, doch hintergründigen Dialogen in grosser literarischer Kunst. Ihre Zuneigung ist noch nicht besitzergreifend.

Das ändert sich rasant, durch verschiedene Umstände wird die Spirale so eng, dass wir das Buch kaum aus den Händen geben können - seit Sturmhöhe von Emily Bronté hat uns nichts mehr so bewegt und doch ist es von allen Segnungen und Misstönen der sechziger Jahre durchsetzt: der Musik, der ungewollten Schwangerschaft, der Rebellion und des sich anbahnenden wirtschaftlichen Aufschwungs. Lesen!

Cornelia Böhler, Maur


Cornelia Boehler, Maur

Cornelia Boehler wurde 1943 in Zürich geboren
Aufgewachsen im kinderreichen Quartier Friesenberg. Mit vierzehn Tagebuch für die Jugendseite des Tages-Anzeigers Zürich, Handelsschule, Tätigkeit im Marketing. Redaktionsmitglied der Gemeindezeitung, Korrespondentin beim Anzeiger von Uster.

Juni 2013: Margarete Mitscherlich, Eine Liebe zu sich selbst, die glücklich macht
Juli 2013: Schattierungen von Grau - Hommage an eine Zürcher Persönlichkeit
Oktober 2013: Jorge Amado, Die Werkstatt der Wunder
Dezember 2013: Barbara Traber, Vo naachem u vo wytem

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