Die Journalistin Elisabeth Bardill-Meyer aus Tenna im Safiental hat mir die Erlaubnis gegeben, ihre Buchbesprechungen hier abzudrucken:



Alexandra Lavizzari,
Und Harry?
Zytglogge Verlag
233 Seiten Fr. 34.80 Info/Bestellen

Ein Name kann in die Irre führen

Und Harry? – Eine Siebenjährige findet ihren Vater tot im Garten. Die Suche nach dem Mörder und dem eigenen Seelenheil nimmt ihren Lauf.

Alexandra Lavizzari ist eine Autorin, die ihre Leserschaft persönlich vereinnahmt. Als Erzählerin der brisanten Geschichte über ein Verbrechen, versteht sie die Kunst des Verlängerns, des Abschweifens in eine vermeintliche Nebengeschichte, um rechtzeitig wieder zur eigentlichen Sache zu kommen. Sie spricht einen direkt an: „ Sind Sie in der Geografie von Wales bewandert? Waren sie vielleicht schon mal da in den Ferien oder auf der Durchreise?“ Man fühlt sich kurz aufgefordert, eine Antwort zu geben. Doch die Erzählerin ist natürlich schon wieder im Fluss ihrer Erzählung. Sie schafft es, dass man dran bleibt und mit Ihr auf die Spurensuche des Mörders geht. Dabei lernt man andere Menschen, deren Beziehungen und Lebensformen kennen. Die Erzählerin fragt sich auch, was gewesen wäre, wenn sie dies oder das gemacht hätte.

Es gibt unzählige Varianten der Brutalität, der Verstellung oder der Perversität, um jemanden verschwinden und die Fahndung in den Sand laufen zu lassen. Die Autorin lässt einen vermuten, dass sie diese Geschichte selbst erlebt hat. Einerseits ist ihre Haltung überlegen und selbstsicher, andererseits agiert sie isoliert und einsam bis zu einem gefährlichen Punkt. – Stärke und Heiterkeit dringen immer wieder an die Oberfläche der Erzählung, die eine komplizierte Irreführung ist. Dieses Buch weist neben dem Unterhaltungswert auch auf tiefgründige Charaktereigenschaften der Figuren hin. Man spürt Menschenkenntnis.

Die Autorin Alexandra Lavizzari, geb. 1953 in Basel, studierte Ethnologie und Islamwissenschaft. Sie ist Mutter von drei Kindern und war als Diplomatengattin oft ausser Land, in Kathmandu, Islamabad, Bangkok, Rom. Sie ist seit 2011 in England wohnhaft.

Empfohlen von Elisabeth Bardill Tenna 1. März 2018



Cesar Pavese, Das Haus auf dem Hügel
Edition Blau bei Rotpunktverlag
200 Seiten Fr. 28.00 Info/Bestellen


Das Haus auf dem Hügel

Turin 1943. Nächtliche Luftangriffe der Allierten bedrohen die Stadt. Wer kann, rettet sich bei Einbruch der Dunkelheit auf die Hügel.

Ein in deutscher Sprache wenig bekannter Roman von Cesare Pavese handelt von der Wirrnis 1943/44 in Italien. Der Lehrer Corrado steht anfänglich gelassen und distanziert dem Geschehen gegenüber, bis ihn der Krieg ganz und gar einnimmt. Das Buch ist eine einzigartige literarische Auseinandersetzung über die Unentrinnbarkeit des Krieges und die Frage nach dem Sinn von politischem Handeln. Dank der Neuübersetzung von Maja Pflug gewinnt dieser Roman an Beachtung. „Der Krieg, der bis hierher gedrungen ist, droht auch unsere Vergangenheit zu ersticken.“ – Das Einzelschicksal des Lehrer Corrado, der Hauptfigur des Romans, zeigt die spöttische Überlegenheit eines Intellektuellen gegen die allgegenwärtigen Ängste in seiner Umgebung auf. Durch die Wiederbegegnung mit einer ehemalige Geliebten, die einen Sohn hat, verändert sich seine Haltung. Doch unvermittelt mäht die Kriegsmaschine jeden Strohhalm von Hoffnung, Liebe und Frieden weg. Im Fortlauf der Geschichte wird die Einsamkeit des Alleingängers Corrado immer deutlicher. Der Krieg erscheint als Entweihung der Hügel einer Kindheit, die mit der mythischen Welterfahrung im Bunde ist. Tote liegen auf der Landstrasse, als Corrado auf der Flucht in sein Heimattal ist. Es sind die stummen Zeugen eines Partisanenüberfalls auf eine motorisierte faschistische Einheit. Danach: „An manchen Tagen schrecke ich plötzlich zurück, während ich durch die nackte Landschaft gehe: Ein morscher Baumstumpf, ein Grasbüschel, ein Felsbrocken scheint mir eine daliegende Leiche zu sein.“

Zum Autor
Cesare Pavese ist 1908 in Santo Stefano Belbo, Piemont, geboren. Er studierte Philologie und war als Lehrer, Übersetzer, Redaktor und Schriftsteller tätig. Der vorliegende Roman galt in Italien als ein grosser Erfolg und trägt deutlich autobiografische Züge. Er habe den Unterschied zwischen Faschisten und Partisanen eingeebnet und in seinem Tagebuch hielt Pavese fest: „Dauerhaft werden wie ein Hügel.“ 1945 trat er der kommunistischen Partei bei und 1950 nahm er sich in Turin das Leben. Pavese zählte sich nie zu den Helden.

Empfohlen von Elisabeth Bardill Tenna 11.März 2018

Elisabeth Bardill

Elisabeth Bardill

Elisabeth Bardill-Meyer kam 1941 im aargauischen Auenstein zur Welt und wuchs danach in Küsnacht am Zürichsee auf. Nach der Ausbildung zur Kindergärtnerin an der Neuen Mädchenschule Bern war sie in Bubendorf BL tätig. Nach der Heirat mit einem Bündner Lehrer zog sie nach Tenna ins Safiental und später nach Schiers. Sie hat vier Söhne und fünfzehn Enkel. Während vieler Jahre unterrichtete sie im Bildungszentrum Palottis Schiers in den Fächern Erziehungslehre, Werken und Gestalten. Seit 2004 lebt Elisabeth Bardill mit ihrem Mann wieder in Tenna. Sie arbeitet freischaffend journalistisch für Zeitschriften, Zeitungen wie auch regelmässig für die „Terra Grischuna“, schreibt Bücher und gibt diese selber unter „edition bardill“ heraus. Es handelt sich stets um Porträts von Menschen in Graubünden.




Elisabeth Bardill, Bauernstolz und Bauerntum
Edition Bardill, 2008 Fr. 35.00 bitte mit Mail bestellen

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