Persönlicher Tipp von Kurt Jenny, Feldmeilen

Hans W. Kettenbach, Kleinstadtaffäre

   
Diogenes Verlag 2004
504 Seiten Fr. 42.90

 

Ist eine Kleinstadt ein Hort der Langeweile und des Spiessertums? So jedenfalls sieht das der Schriftsteller Carl Wallot, den eine Lesung in die Kleinstadt Merzthal verschlägt. Er entschliesst sich, ein paar Tage länger zu verweilen, denn er hat Witterung aufgenommen für einen weiteren Romanstoff. Da ist der örtliche Patriarch, Chef einer Fabrik für Apparatebau. Dieser ist nicht nur als Arbeitgeber mächtig, sondern auch ein grosszügiger Förderer der Gemeinde und wegen zweifelhafter Lieferungen in den nahen Osten auch als zwielichtige Figur berühmt-berüchtigt. Wallot lernt seine jüngere Frau kennen und die beiden sind einander mehr als nur zugeneigt. Die Leute im Ort stellen ihre eigenen Vermutungen an. Selbst in die Lokalredaktion der Zeitung reicht der lange Arm des Industriellen, so dass auch der aufgeweckte Journalist Froberger Wallots Ansinnen mit einer Mischung aus Misstrauen und Skepsis, später dann auch mit einer gehörigen Portion Neugierde begegnet. Wallot stösst bei seinen Recherchen auf eine Mauer des Schweigens und muss sich sogar handgreiflicher Attacken erwehren. Dass dann jemand zu Tode kommt, womit niemand gerechnet hat, bringt Wallot zusehends in arge Bedrängnis. Hans Werner Kettenbach hat ein beeindruckendes, von grosser Beobachtungsgabe zeugendes, atmosphärisch stimmiges Kleinstadtpanorama gezeichnet. Als Leser atmet man die muffige Merzthaler Provinzluft ein und fühlt förmlich die explosive Mischung aus Argwohn und Borniertheit, die Wallot aus allen Ecken des Ortes entgegenschlägt. - eine gefährliche Vorstufe der gewalttätigen Fremdenfeindlichkeit. Kettenbachs flüssiger und daher spannender Sprachstil garantiert Lesevergnügen pur.

kj

 

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