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Die
Autorin und Journalistin Cornelia Boehler aus Maur hat das Buch von Dagmar
Schifferli für Sie gelesen und besprochen. Vielen Dank.
Dagmar
Schifferli, Meinetwegen
Verlag Nagel & Kimche
112 Seiten Fr. 22.50
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Die bekannte
Roman-Autorin Dagmar Schifferli verpflichtet sich in ihrem neuesten Buch
einem Thema, das meist in Buchform nicht vorkommt, sondern in Haftanstalten,
vor Richter*innen, in den Polizei-Nachrichten der Tageszeitungen. Die
Hauptfigur ist bereits in der Geschichte `Wegen Wersai` aufgetaucht als
waches Mädchen mit Widerstand.
Ist es Zufall, dass dieses Buch 17 Kapitel hat? Als genau so alt schätze
ich die Protagonistin Katharina ein (übrigens mein zweiter Vorname
und ja, dieser Name spielt auch in der Geschichte mit), vielleicht auch
2-3 Jahre jünger. Ihr Gegenüber ist ein Psychiater, denn Katharina
will nur selbst sprechen, er darf nichts sagen und muss zuhören,
was in diesem Fall auch seine Aufgabe ist. Wir haben es mit einer ‹verstockten›
auch traumatisierten Jugendlichen zu tun, die endlich mal richtig erzählen
will, wie sie ihren eigenen Fall sieht. Dieser ist kompliziert, kann nur
nach und nach erhellt werden. Wie in einem Krimi also? Genauso spannend.
Der einseitige Dialog fliesst in einer jugendlichen, oft mit zürichdeutschen
Worten angereicherten Sprache, die mir neu vorkommt, ohne Anführungs
und Schlusszeichen, die sowieso schon ganz abgeschafft sind! Es ist kein
Slang, wie ihn junge Leute heute sprechen, doch es ist ein hochaktueller
Inhalt, dem diese Sprache gerecht wird.
Die Erzählung hat mehrere Zeitebenen, in diese wird der/die Leser*in
eingetaucht ohne Vorankündigung. Wenn Katharina stockt, dann gibt
es eine wunderbar leere Fläche im Buch, wo eigene Gedanken fliessen
können. Es könnte auch modernes Theater sein.
Bald kommt es zu einem Überraschungscoup oder eben einer neuen Szene:
Mitteilungen können nun auch auf einem Zettel vom Zuhörer eingeschoben
werden - es gelten aber nur ganz kurze klare Ja oder Nein, später
- erst viel später mal ein Wieso.
Wir erfahren was passiert sein könnte, wir leiden mit und kriegen
Bauchweh, mal haben wir auch Mitgefühl mit der Fachperson, dem Psychiater,
der nur nach und nach Katharina ein wenig sympatischer wird - immerhin.
Sie sitzen vor uns, diese beiden Figuren - Protagonistin und ihr Antagonist
- in einem aktuellen und zeitlosen Fall. Wie in der griechischen Tragödie
mit einer gefunden Sprache, geführt durch die Autorin, die hier Regisseurin
ist.
Danke für dieses lebhafte Buch! Cornelia Böhler
Cornelia
Boehler , geb. 1943 in Zürich
Aufgewachsen
im kinderreichen Quartier Friesenberg. Mit vierzehn Tagebuch für
die Jugendseite des Tages-Anzeigers Zürich, Handelsschule, Tätigkeit
im Marketing. Redaktionsmitglied der Gemeindezeitung, Korrespondentin
beim Anzeiger von Uster. Seit 1985 Autorin. Von 1988 bis 2003 Inszenierungen
von Texten mit Gestik und Musik in Kulturcafés, an Ausstellungseröffnungen,
in Clubs und Konzertlokalen in Zürich und Umgebung, Baselland, Bern
sowie in Darmstadt und Giessen/Deutschland.
Cornelia
Boehler
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2014: Dagmar Schifferli, Leben im Quadrat
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2014: Oxana
Khlopina, Moravagine - Blaise Cendrars' Schatten
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Ende der Welt
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