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Die
Journalistin Elisabeth Bardill-Meyer aus Tenna im Safiental hat mir die
Erlaubnis gegeben, ihre Buchbesprechungen hier abzudrucken:
Patrizia Parolini, Almas Rom. Eine Puschlaver Familiensaga
Orte Verlag
410 Seiten Fr. 38.00 bitte mit Mail
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Almas
Rom – eine Puschlaver Familiensaga
Als
17-jährige Tochter einer kinderreichen Familie wurde man vor rund
hundert Jahren nicht nach eigenen Wünschen gefragt, wenn die Eltern
ihren Wohnort wechseln wollten. Die nach Rom ausgewanderte Bäckersfamilie
baute dort ein eigenes Geschäft auf, war aber durch die Erkrankung
des Geschäfts- und Familienoberhauptes gezwungen, in ihre Heimat,
das Puschlav, zurückzukehren. Alma als Älteste der grossen Kinderschar
traf dieser Abbruch des städtischen Lebens schwer. Sie kannte den
Luxus eines grossen Hauses, hatte Freundinnen und fühlte sich als
Römerin zuhause im Quartier. Auch wenn sie ihre kleinen Geschwister
betreuen musste, war der Alltag voller Annehmlichkeiten. Sie musste das
Familieninteresse über die eigenen Wünsche stellen. Das Leben
in Poschiavo war entbehrungsreich, doch der Vater genas in der gesunden
Bergluft.
Das Heimweh der jungen Frau zieht sich durch die Familiensaga und wird
zum Sinnbild einer vergangenen Epoche, in der die Lebensumstände
im Berggebiet hart waren. Kinder wurden geboren, viele starben schon im
zarten Alter. Wenn Töchter nicht lebenslang zuhause arbeiten wollten,
heirateten sie früh oder gingen als schlecht bezahlte Arbeiterinnen
in die Fabrik. Bei der Lektüre finden wir uns bei Alma in Rom, machen
mit ihr die anstrengende Reise im Zug nach Poschiavo und sind dabei, wie
sich die Familie im alten Gebäude ohne jeglichen Komfort einrichtet.
Die Räume sind niedrig und es ist eng. Mit Alma sind wir an den Arbeitsplätzen
in Chur und Arbon und begleiten sie noch einmal nach Rom in der Zeit,
als Mussolini am Machthebel war.
Zur Autorin
Patrizia Parolini, 1970 in Graubünden geboren, lebt in Chur. In ihrem
ersten Roman zeichnet sie ein Stück weit die Geschichte ihrer Vorfahren
auf. Wir erfahren zudem Einiges über die wirtschaftliche Entwicklung
in der Zwischenkriegszeit, über Arbeitsbedingungen der Frauen zuhause
wie im Erwerbsleben sowie über Wohnverhältnisse. Umfängliche
Recherchen der Autorin über die Zustände jener Zeit bildeten
die Grundlage für den Roman. «Almas Rom» ist ein solider
Baustein zur Puschlaver Auswanderungsgeschichte.
Almas Rom, Patrizia Parolini, orte verlag, 410 S., gebunden, Fr. 38.-
Empfohlen von Elisabeth Bardill
Tenna, den 9. Dezember 2018
Paul
Ilg, Der Hungerturm
Chronos Verlag
160 Seiten Fr. 34.00 bitte
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Literarisches
Kleinod von Paul Ilg
Der Hungerturm – ein Zeitroman: Ende der Dreissigerjahre, im Vorfeld
des Zweiten Weltkrieges bewohnten unterschiedliche Leute ein heruntergekommenes
Hotel in der Innerschweiz, den sogenannten Hungerturm. Hans Anmatt, ein
Schweizer Kunstschaffender kam aus Deutschland zurück in die Heimat
und musste erkennen, dass das nationalsozialistische Gedankengut auch
in der Schweiz Sympatisanten hatte. Die alten Wertvorstellungen von «Höhensonne»
und «Alpenmilch» galten nicht mehr. Konflikte überall:
der Streit um den einzigen Sohn im Scheidungskampf mit seiner ersten Ehefrau,
Geldsorgen, Arbeitslosigkeit, der provisorische Wohn- und Lebensstil sowie
Verstrickungen mit Freunden und anderen Bewohnerinnen und Bewohnern des
Hotels. Weil man an einem Ort lebte, der einen Zwischenraum von Privatheit
und Öffentlichkeit darstellte, war man im Umgang miteinander besonders
empfindlich.
Der Schweizer Autor Paul Ilg (1875-1957)
Ergreifend ist die Situation von feinfühligen kunstschaffenden Menschen
aufgezeichnet, die zwischenzeitlich oder für immer in Unsicherheit
leben müssen. Paul Ilg versuchte sich in der Bekenntnisdichtung,
weil er in realer Notlage war. Das betreffende Manuskript gab er nie zur
Veröffentlichung frei. Im bruchstückartigen Roman hat er den
Konflikt zwischen künstlerischer Freiheit und Erhaltung der Familie
verdeutlicht. Der konstante finanzielle Engpass führte dazu, dass
jede Möglichkeit, einen Text zu publizieren, wahrgenommen wurde.
Persönliche Gedanken über Partnerschaft, Ehe, Mutterschaft,
Kinder, Scheidung konnte der Dichter Paul Ilg in Form von Gesprächen
sowie Auseinandersetzungen mit einem Künstlerfreund, der auch um
sein Kind kämpfen wollte, einbringen. Selber wurde der Schriftsteller
als uneheliches Kind im Thurgau geboren. Nach dem Tod der Grosseltern,
bei denen er die ersten Jahre verbrachte, landete er als Verdingbub im
Appenzellerland und dann bei der Mutter in Rorschach. – Sein Fremdsein
im Leben machte ihn zum Beobachter, zum Schreibenden. Seine Texte bewirken
eine einzigartige Wechselwirkung von Nähe zwischen ihm und der Leserschaft.
– Das Romanfragment wurde unter der Reihe «Schweizer Texte»
mit einem Nachwort von Lisa Hurter herausgegeben.
Der Hungerturm, Paul Ilg, Chronos Verlag, 160 S., Fr. 34.-
Empfohlen von Elisabeth Bardill 23. November 2018
Elisabeth
Bardill
Elisabeth Bardill
Elisabeth Bardill-Meyer kam 1941 im aargauischen Auenstein zur
Welt und wuchs danach in Küsnacht am Zürichsee auf. Nach der
Ausbildung zur Kindergärtnerin an der Neuen Mädchenschule Bern
war sie in Bubendorf BL tätig. Nach der Heirat mit einem Bündner
Lehrer zog sie nach Tenna ins Safiental und später nach Schiers.
Sie hat vier Söhne und fünfzehn Enkel. Während vieler Jahre
unterrichtete sie im Bildungszentrum Palottis Schiers in den Fächern
Erziehungslehre, Werken und Gestalten. Seit 2004 lebt Elisabeth Bardill
mit ihrem Mann wieder in Tenna. Sie arbeitet freischaffend journalistisch
für Zeitschriften, Zeitungen wie auch regelmässig für die
„Terra Grischuna“, schreibt Bücher und gibt diese selber
unter „edition bardill“ heraus. Es handelt sich stets um Porträts
von Menschen in Graubünden.
Elisabeth Bardill, Männer und Frauen verwurzelt
in Graubünden
Edition Bardill
Fr. 30.00
bitte
mit Mail bestellen
Elisabeth Bardill, Bauernstolz und Bauerntum
Edition Bardill, 2008 Fr. 35.00 bitte mit Mail bestellen
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