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Persönlicher
Tipp von Michael Ritter, Verleger des wissenschaftlichen Verlages Praesens
in Wien
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Andreas
Gössling, Faust der Magier
Rütten
& Loening 2007
607 Seiten Fr. 38.60 |
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Michael Ritter, Wien und sein Verlag www.praesens.at
Eines sei gleich vorweg gesagt, zur Beruhigung künftiger Leser sozusagen:
Nein, man muss Goethes "Faust" nicht gelesen haben, um diesen Roman von
Andreas Gößling zur Hand nehmen und ihm folgen zu können. Und - ebenfalls
- nein, auch das Volksbuch des Doktor Faustus und alle anderen, bekanntlich
zahlreichen literarischen Bearbeitungen des Faust-Stoffes sind keine conditio
sine qua non, um Gößlings Roman in vollem Umfang geniessen zu können.
Denn ein Genuss ist dieser Roman zweifelsohne. Schnell gewöhnt man sich
an die etwas archaisch anmutende, aber äusserst gepflegte Sprache, mit
der die Geschichte Fausts von seiner Geburt bis zu seinem Ende (und es
soll hier ganz bewusst nicht erläutert werden, was mit dem Begriff "Ende"
eigentlich gemeint ist) erzählt wird. Gezeugt im Weinkeller des Klosters
Maulbronn von einem Dämon, ja angeblich dem Teufel selbst (so berichtet
es jedenfalls der spätere Abt des Klosters, Johannes Burrus, der die Schandtat
selbst miterlebt hat), wächst der kleine Faust gemeinsam mit seiner durch
dieses ungeheuerliche Begebenheit in den Wahnsinn verfallenen Mutter Maria
beim Küfer Gerlach auf - auf Anweisung des Abtes und von allen ausser
der Mutter ungeliebt. Sein Interesse für das Puppenspiel, mit dem er seine
Mutter und auch seine Umwelt fasziniert, entwickelt sich sehr früh, und
auch sein Interesse für Magie.
Auf Fausts Wunsch hin nimmt Burrus den Jungen eines Tages im Kloster auf,
um ihm eine bessere Ausbildung angedeihen zu lassen, wenngleich eine sehr
eigenwillige: Faust soll alle bekannten Schriften zur Alchemie studieren
- um eines Tages für ihn, Burrus, Gold zu erschaffen, mit dem die hochtrabenden
Pläne des Abtes, das Kloster zu einem einzigartigen Juwel klerikaler Architektur
um- und auszubauen, finanziert werden sollen. Einfühlsam und spannend
führt Gößling den Leser an seine Hauptfigur heran und breitet dessen spätmittelalterliche
Welt und die Machenschaften der Inquisition aus. Das Buch zieht den Leser
sehr schnell in seinen Bann, die sprachliche Gediegenheit erfreut und
macht das Buch zu einer der herausragenden Veröffentlichungen im Jahr
2007.
Nein, Goethes "Faust" und die anderen Bearbeitungen muss man wirklich
nicht gelesen haben. Kennt man aber doch einige von ihnen, wird man umso
erfreuter einige literarische Anspielungen bei Gößling entdecken und seinen
Genuss an dem Buch noch etwas mehr gesteigert finden. "Faust, der Magier"
ist ein Roman, an dem man nicht vorübergehen sollte.
Michael Ritter, Wien
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