Rolf Wesbonk hat den neuesten Thriller des amerikanischen Schriftstellers und Staatsanwaltes aus Chicago Scott Turow gelesen:


Scott Turow, Der letzte Beweis
Blessing Verlag
575 Seiten Fr. 38.90

Der letzte Beweis eines grossartigen Autors

Ein Mann sitzt auf einem Bett. Er ist mein Vater. Die Leiche einer Frau liegt unter der Decke. Sie war meine Mutter.

Eigentlich beginnt die Geschichte nicht an diesem Punkt. Und sie endet auch nicht dort. Aber es ist der Moment, zu dem ich immer in Gedanken zurückkehre; der mir die beiden vor Augen führt.

Nach dem, was mein Vater mir bald erzählen wird, war er fast dreiundzwanzig Stunden in dem Zimmer, nur unterbrochen von dem gelegentlichen Gang zur Toilette. Gestern erwachte er um halb sieben, wie meistens in der Woche, und er sah, als er die Füsse in die Pantoffeln schob und über die Schultern einen Blick auf meine Mutter warf, sofort die Veränderungen, die der Tod bringt. Er rüttelte sie an der Schulter, berührte ihre Lippen. Er drückte ihr ein paar Mal mit dem Handballen aufs Brustbein, aber ihre Haut war kalt wie Lehm. Ihre Gliedmassen bewegten sich alle in einem Stück wie bei einer Kleiderpuppe.

Er wird mir erzählen, dass er sich dann ihr gegenüber in einen Sessel setzte. Er weinte nicht. Er dachte nach, wird er sagen. Er weiss nicht, wie lange er so dasass, nur dass die Sonne sich einmal quer durch den Raum bewegt hatte, als er endlich aufstand und anfing, wie besessen aufzuräumen.

So beginnt der neue Roman von Scott Turow. „Der letzte Beweis“ ist, wie die früheren Bände des amerikanischen Erfolgsautors, ein Gerichts-Krimi. Es wird die Geschichte von Richter Rusty Sabich erzählt, eine Story, die eigentlich eine Fortsetzung des Romans „Aus Mangel an Beweisen“ ist. Dieser wurde 1987 geschrieben und war ein Bestseller. Sabich war damals angeklagt, eine Kollegin, mit der er ein Verhältnis hatte, brutal ermordet zu haben. Das Duell zwischen Ankläger und Verteidiger erwies sich in der Folge als grossartige Unterhaltung.

Jetzt findet sich Sabich erneut an der Seite einer toten Frau, und wiederum sind die Hintergründe zwiespältig. Der Oberstaatsanwalt Tommy Molto, der schon vor zwanzig Jahren ein hartnäckiger Widersacher von Sabich gewesen ist, hat diverse Gründe, gegen den einstigen Kontrahenten ein weiteres Mal zu ermitteln. Schwer ins Gewicht fällt dabei die Liebesbeziehung von Sabich zu einer Frau, die vom Alter her seine Tochter sein könnte. Wiederum versteht es Turow, den Leser mit einer packenden Geschichte sowie einer brillanten Sprache zu begeistern.

Rolf Wesbonk



Scott Turow, Jahrgang 1949, ist Partner einer großen Anwaltssozietät in Chicago. Seine vielfach preisgekrönten Romane "Aus Mangel an Beweisen", "Die Bürde der Wahrheit", "So wahr mir Gott helfe" und "Das Gesetz der Väter" wurden alle internationale Buch- und Filmerfolge. Turow lebt mit seiner Frau und drei Kindern bei Chicago.


Rolf Wesbonk, Stäfa
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Rolf Wesbonk (rwe.)
Redaktioneller Mitarbeiter NZZ Sport
Geboren 1942 in Adliswil. Aufgewachsen im Sihltal. Nach der Lehre als Fabrikspengler Weiterbildung an der Abendhandelsschule. Disponent im Anzeigen-Service der NZZ. Von 1980 bis 2002 freier Mitarbeiter. Seither redaktionelles Mitglied im Sport mit dem Schwergewicht Fussball. Autor von drei Kriminalromanen, die in Zürich und Umgebung spielen - mit dem ehemaligen Fussballer Dillmann als Protagonisten.


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