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Die
Journalistin Elisabeth Bardill-Meyer aus Tenna im Safiental hat mir die
Erlaubnis gegeben, ihre Buchbesprechungen hier abzudrucken.
Drei neue Buchbesprechungen für Sie:
Andreas Neeser, wie wir gehen
Kurt
Studer, Verdammt, Verbannt
Ruedi Brassel, Haus Gartenhof in Zürich
Andreas Neeser, Wie wir gehen
Haymon Verlag
216 Seiten Fr. 22.40
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Generationenroman voller poetischer Kraft
Zeitbilder in geografischer Nähe machen allein schon betroffen, weil
Vertrautes darin vorkommt. Der aargauer Schriftsteller Andreas Neeser
schrieb eine Familiengeschichte über vier Generationen. Im Zentrum
steht die Tochter Mona, die ihrem kranken Vater Erinnerungen an dessen
Jugendzeit abringen möchte, solange ihr das noch möglich erscheint.
Da es über Gespräche nicht geht, bittet Mona den Vater, auf
ein Diktiergerät zu sprechen. Auf diese Art erfährt sie Eckpunkte
aus dem Leben des Vaters und der Grosseltern. Sie versucht die Lücken
mit eigenen Erinnerungen und Vorstellungen zu füllen. Nicht unbedeutend
sind Monas Grossvater und ihre eigene Tochter. – Andreas Neeser
hat mit Feingefühl ein Stück Schweizer Sozialgeschichte dargestellt.
Was macht das Leben mit einem Verdingbuben, der auf dem Bauernhof seines
reichen Onkels schuften muss? Kommt ein solcher Mensch je aus dem Bewusstsein
der eigenen Bedeutungslosigkeit heraus? In kleinen Schritten erfasst die
Tochter das Wesen ihres Vaters und ihre Liebe zu ihm wächst, indem
sich ihre Erwartungen verflüchtigen und sie über ihr eigenes
Leben nachdenkt. Dabei sind die Auseinandersetzungen mit ihrer beinahe
erwachsenen Tochter hilfreich. – In diesem wunderbaren Buch wird
das Kleine gross und die Neben- und Randfiguren sind sinnbildlich für
frühere und heutige Lebensmuster. Das Ausharren in der Ehe bis zum
Tod wie die Trennung einer Beziehung und das Kind, das zwischen Vater
und Mutter pendelt sind Zeichen der jeweiligen Zeit. Der Roman kommt leise
und voll poetischer Kraft daher.
Elisabeth Bardill, Tenna 16. März 2020
Kurt Studer, Verdammt, Verbannt
Antium Verlag
376 Seiten Fr. 27.90 bitte mit Mail bestellen
Verdammt, Verbannt – vor hundert Jahren
Eine Familiengeschichte wird im Zeitraum zwischen 1908 und 1921 aufgegriffen.
Es geht um die Schlegels in Flums und die Perrens in Sitten. Wie die Lebensumstände
für viele junge Leute vor und nach dem Ersten Weltkrieg wirklich
waren, wird durch diese Geschichte beleuchtet. Sie stimmen mit den Ereignissen
überein, die aus jener Zeit vielfach dokumentiert sind. Die angespannte
Angelegenheit des Tornisterpackens ging dem Abschied der Wehrmänner
am Bahnhof Flums voraus. Johann Schlegel leistete als Gefreiter 499 Diensttage,
mehrheitlich an der Front im Berner Jura. Nach Kriegsende 1918 war es
für Johann, den gelernten Wagner schwierig, eine Stelle zu finden.
Die Handwerksbetriebe beklagten sich wegen fehlender Aufträge. Wut
und Verzweiflung breiteten sich unter der arbeitslosen sowie ausgenutzten
Arbeiterschaft aus. Unerwartet kam für Johann der schicksalsweisende
Brief mit Stellenangebot aus dem Wallis. Für das Reisegeld musste
eine Ziege vom kleinen Hof seiner Geschwister verkauft werden. Bevor Johann
das Elternhaus in Flums verliess, warf er noch einen kurzen Blick in den
Spiegel und zupfte die beiden Enden des emporgedrehten Schnurrbartes zurecht.
– Johann Schlegel fand in Sitten Arbeit, Liebe, Kost und Logie.
Die Liebe zur Schwester seiner Schlummermutter hob ihn empor. Voller Zukunftshoffnung
freute er sich auf ein eigenes Familienleben. Durch die Normen von Sitte,
Brauchtum und finanziellem Notstand wurde die Gründung einer jungen
Familie in Frage gestellt. Die Verbindung zweier Geschlechter kann jedoch
durch die Geburt eines Kind nicht rückgängig gemacht werden.
Johann wurde aus dem Geschehen ausgeschaltet. Frauen, besonders ledige,
waren rechtlos in der patriarchalischen Gesellschaft aber auch junge mittellose
Männer waren gegenüber den Bürgern, die vor Rechtschaffenheit
strotzten, hilf- und machtlos.
Zum Autor
Der 1943 geborene Kurt Studer aus Visp begann nach dem Abschluss der Handelsmatura
seine berufliche Laufbahn im Bankwesen. Im Alter von 61 Jahren nahm er
das Studium in Germanistik, Geschichte und Latein in Angriff. Danach wandte
er sich dem Schreiben und dem Reisen zu. Im vorliegenden Roman, seinem
Erstlingswerk, nimmt man deutlich wahr, wie gut er sich auskennt in der
Schweiz, sei es mit Reisen, Ortskenntnissen wie regionaler und lokaler
Geschichte. Er schildert die Wohnkultur der Menschen vor hundert Jahren.
Er nimmt seine Leserschaft mit in die Küche, die Stube, das Schlafzimmer,
in die Alphütte, auf den Schlosshügel oder in die Fabrik. Seine
Romanfiguren charakterisiert er so, als ob er ihnen selbst begegnet wäre.
Vielleich handelt es sich in diesem Buch um Teile seiner eigenen Familiengeschichte.
Kurt Studer lebt mit seiner Frau Rosmarie in Rapperswil Jona. Die Fortsetzung
des Romans wird demnächst erscheinen.
Tenna, 5. April 2020 Elisabeth Bardill
Ruedi Brassel, Ruedi Epple/Peter Weishaupt/Ina Boesch, Haus Gartenhof
in Zürich. Raum für vernetzte Friedensarbeit
Chronos Verlag
192 Seiten Fr. 38.00 Info/bestellen
Das Haus Gartenhof in Zürich birgt Jahrhundertgeschichte
Das Wohnhaus von Leonhard und Clara Ragaz-Nadig aus dem vorletzten Jahrhundert,
mitten in Zürich-Aussersihl, ist im Sommer rundum von Grün umrankt.
Nicht architektonisch, sondern durch seine Stattlichkeit ragt es heraus.
An der Gartenhofstrasse 7 haftet die Erinnerung an das Zentrum der Schweizerischen
Friedensarbeit von den 20er-Jahren bis zum Ende des letzten Jahrhunderts.
Wir lesen über das dichte Netzwerk sozialer Bewegungen mit lokaler,
regionaler und internationaler Ausstrahlung. Der Gartenhof war ein pazifistisches
Zentrum. Entscheidendes in der Entwicklung von Sozial-, Bildungs- und
Nachbarschaftsarbeit bis hin zur Flüchtlingshilfe im Zweiten Weltkrieg
geschah hier. Nicht allein die grosse Frauenfriedenskonferenz in Zürich
1919 wurde von hier aus organisiert. Als «Familienunternehmen»
prägte das Ehepaar Leonhard und Clara Ragaz mit ihren Kindern Jakob
und Christine massgebend die Geschichte des Hauses, das ein Dreh- und
Angelpunkt sozialer Bewegungen war und ist. Die Familie zog aus dem wohlhabenden
Quartier am Zürichberg nach Aussersihl, um hier unter der Arbeiterschaft
eine neue «Gemeinschaft von Mensch zu Mensch» zu bilden. Der
Bündner Pfarrer und Professor Leonhard Ragaz gab seinen Lehrstuhl
für Theologie an der Universität auf, um sich der Arbeiterschaft
zu widmen. Die Verbürgerlichung der Kirche war ihm ein Dorn im Auge.
– Das Buch beinhaltet einen Fundus an Sozialgeschichte, an Lebensbildern
mutiger Menschen in schweren Zeiten der Kriegs- und Nachkriegszeit. Es
sind eine Autorin und drei Autoren, die verschiedene Epochen sowie Blickwinkel
in die Vergangenheit darlegen. Frauen und Flüchtlingsarbeit, Transit-
und Lagerhilfe, Öffentlichkeitsarbeit, Aufbruch im Jahr 1968, Militärverweigererbewegung,
Ostermärsche in der Bodenseeregion, Militärdienst und Ökologie…
gehören zur Themenvielfalt. Dass der Einsatz von Clara Ragaz und
ihrer Tochter Christine besonders gewürdigt wird führt zu einem
Gesamtbild, das noch weiter ausgeleuchtet werden könnte. –
Der umfängliche Quellennachweis im Anhang führt zu weiteren
Studien und grossen sozialgeschichtlichen Zusammenhängen. Gut zu
wissen: Der Gartenhof bietet auch heute Raum für vernetzte Friedensarbeit.
Empfohlen von Elisabeth Bardill Tenna, 31. März 2020
Elisabeth Bardill
Elisabeth Bardill-Meyer kam 1941 im aargauischen Auenstein zur
Welt und wuchs danach in Küsnacht am Zürichsee auf. Nach der
Ausbildung zur Kindergärtnerin an der Neuen Mädchenschule Bern
war sie in Bubendorf BL tätig. Nach der Heirat mit einem Bündner
Lehrer zog sie nach Tenna ins Safiental und später nach Schiers.
Sie hat vier Söhne und fünfzehn Enkel. Während vieler Jahre
unterrichtete sie im Bildungszentrum Palottis Schiers in den Fächern
Erziehungslehre, Werken und Gestalten. Seit 2004 lebt Elisabeth Bardill
mit ihrem Mann wieder in Tenna. Sie arbeitet freischaffend journalistisch
für Zeitschriften, Zeitungen wie auch regelmässig für die
„Terra Grischuna“, schreibt Bücher und gibt diese selber
unter „edition bardill“ heraus. Es handelt sich stets um Porträts
von Menschen in Graubünden.
Elisabeth Bardill, Männer und Frauen verwurzelt
in Graubünden
Edition Bardill
Fr. 30.00
bitte
mit Mail bestellen
Elisabeth Bardill, Bauernstolz und Bauerntum
Edition Bardill, 2008 Fr. 35.00 bitte mit Mail bestellen
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