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Die
Journalistin Elisabeth Bardill-Meyer aus Tenna im Safiental hat mir die
Erlaubnis gegeben, ihre Buchbesprechungen hier abzudrucken.
Zwei neue Buchbesprechungen für Sie:
Daniela Krien, Muldental
Laura Vogt, Was uns betrifft
Daniela Krien, Muldental
Diogenes Verlag
240 Seiten Fr. 30.00 Info/bestellen
Erzählungen aus dem Muldental
Daniela Krien schreibt über Menschen in Deutschland, denen
der Fall der Mauer 1989, die Änderung einer Staatsform, der soziale
Ruck und die neue Gesellschaftsordnung den Wind aus den Segeln nahm und
sie trudelnd zurückliess; gebrochen, wiederauferstanden oder untergegangen.
Sie waren als Jugendliche Teil einer Clique, die sich um die Jahre 1988/89
im Muldental gefunden hatten. Sie trafen sich im Buswartehäuschen
aus Beton mit Fenstern und einer Holzbank. Sie tranken bei Musik aus dem
Kassettenrekorder Bier und Wein. Die frühreife Bettina, die stille
Maren, die blonde Wiebke wie auch Günter, Thomas, Jens und wie sie
alle hiessen, zerstreuten sich wegen ihrer Ausbildung anfangs der neunziger
Jahre. Das Dorf wurde zur Wohnsiedlung. Zuerst schloss das Gemeindeamt,
dann der Konsum, darauf das Wirtshaus, der Kindergarten und die Poststelle.
Dennoch kamen einige zurück ins Dorf. – Die Clique bildet den
Rahmen der Geschichten. Einzelne begegnen sich später wieder am Ort
oder in der nahen Stadt. Man gewinnt kurze, starke Einblicke in deren
Leben und Überleben. Freitod, Prostitution, Kinder, Ausgrenzung der
«Ossis», Gott und Partei sind Eckpfeiler in den Erzählungen,
vielleicht auch vorübergehend. Die Betroffenen sind auf dem Weg,
wo noch Vieles offen ist.
Die Autorin Daniela Krien ist 1975 in Neu-Kaliss geboren, studierte Kultur-,
Kommunikations- und Medienwissenschaften in Leipzig, wo sie heute mit
zwei Töchtern lebt. Sie versteht es, mit Alltäglichkeiten in
knappem Erzählen mit Auslassungen starke und erschreckende Begebenheiten
aufzuzeigen. Es geht um die Nachwehen eines gespaltenen Landes in der
jüngsten Vergangenheit. Doch die Andeutung von Liebe, Familienglück
und Lebensmut spricht aus den Zeilen. Es sind Lebenssituationen von heute.
Weil sie nicht ganz unbekannt sind, berühren sie so direkt.
Tenna, 4. Juni 2020
Empfohlen von Elisabeth Bardill
Laura Vogt, Was uns betrifft
Zytglogge Verlag
210 Seiten Fr. 29.00 Info/bestellen
Was uns betrifft
Ein denkwürdiger Titel für einen Roman! Er ist passend und betrifft
eine alleinerziehende Mutter und ihre zwei Töchter und er betrifft
eine Leserschaft, die sich über die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts
Gedanken macht. Es handelt sich um eine Beziehungsgeschichte, die durch
Glaubwürdigkeit berührt. Die Suche nach Geborgenheit und Heimat
an einem Ort und bei Menschen, denen man vertrauen kann, wurde zum Thema.
Das ist nicht einfach nach Enttäuschungen in der Kindheit, nach wechselnden
Freundschaften und ohne Spiritualität. Die Generation der Dreissigjährigen
steht im Brennpunkt des Geschehens. Vorübergehende, lockere Beziehungen
zu pflegen ist anregend und abwechslungsreich. Doch eine Schwangerschaft
bringt unerwartete Schwierigkeiten und Aufgaben mit sich. Mutterschaft
wie Vaterschaft verändern die Lebensform der Betroffenen. Die selbstbestimmte
Freiheit nimmt ein Ende, doch die Sehnsucht nach Gemeinschaft, nach einem
erfüllten Familienleben erwacht im besten Fall. Zwei Kleinkinder
von verschiedenen Erzeugern werden im Roman als Lichtgestalten wahrgenommen,
deren Dasein die Welt verändert. Auch wenn die Kinder nicht im Zentrum
der Geschichte stehen, bedeutet ihre Gegenwart etwas unabänderlich
Kostbares.
Die Ostschweizer Autorin Laura Vogt schildert mit nüchtern formulierten
Sätzen die Seelenzustände zweier Schwestern. Sie lässt
Rahel und Fenna in Zwiegesprächen Beziehungsnöte erörtern
und das in zeitgemässer rauer Alltagssprache. Es ist, als ob man
im Nebensimmer sitzen und zuhören würde, bedrängt von nackten
Tatsachen über Geschlechtsverkehr, Körperfunktionen, Geburten,
Begehren, Ekel, Verlassenheit und abwesende Väter. Da gibt es um
Intimitäten keine Tabus. Nach und nach wird ein Weg erkennbar, den
die Frauen gehen. Im Zusammensein mit ihrer Mutter bekommt mindestens
die eine festen Boden unter die Füsse. – Da ist aber noch Boris,
der stille, praktische Mann, der von Anfang an der Fels in der Brandung
ist. Er liebt die Kinder und hat ein Haus mit Garten auf dem Land. Dass
Liebe geheimnisvoll und vielschichtig werden kann und so einen Mehrwert
bewirkt, leuchtet aus Rahels Satz hervor: «In mir erzeugt das tektonische
Beben eine neue Ordnung.»
Tenna, 22. Juni 2020
Elisabeth Bardill
Elisabeth Bardill
Elisabeth Bardill-Meyer kam 1941 im aargauischen Auenstein zur
Welt und wuchs danach in Küsnacht am Zürichsee auf. Nach der
Ausbildung zur Kindergärtnerin an der Neuen Mädchenschule Bern
war sie in Bubendorf BL tätig. Nach der Heirat mit einem Bündner
Lehrer zog sie nach Tenna ins Safiental und später nach Schiers.
Sie hat vier Söhne und fünfzehn Enkel. Während vieler Jahre
unterrichtete sie im Bildungszentrum Palottis Schiers in den Fächern
Erziehungslehre, Werken und Gestalten. Seit 2004 lebt Elisabeth Bardill
mit ihrem Mann wieder in Tenna. Sie arbeitet freischaffend journalistisch
für Zeitschriften, Zeitungen wie auch regelmässig für die
„Terra Grischuna“, schreibt Bücher und gibt diese selber
unter „edition bardill“ heraus. Es handelt sich stets um Porträts
von Menschen in Graubünden.
Elisabeth Bardill, Männer und Frauen verwurzelt
in Graubünden
Edition Bardill
Fr. 30.00
bitte
mit Mail bestellen
Elisabeth Bardill, Bauernstolz und Bauerntum
Edition Bardill, 2008 Fr. 35.00 bitte mit Mail bestellen
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