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Rolf
Wesbonk aus Stäfa hat für Sie den Roman " Der Fall Collini"
des in Berlin lebenden Rechtsanwaltes Ferdinand von Schirach gelesen.
In
einem Interview in "Der Zeit" habe ich gelesen, dass es ihm
in diesem Buch "Der Fall Collini" nicht um die Frage der Schuld
geht, sondern um das Motiv des Mordes.
Ferdinand
von Schirach, Der Fall Collini
Piper Verlag
195 Seiten Fr. 24.90
Collinis
Schweigen
Später
würden sich alle daran erinnern, der Etagenkellner, die beiden älteren
Damen im Aufzug, das Ehepaar auf dem Flur im vierten Stock. Sie sagten,
dass der Mann riesig war, und alle sprachen von dem Geruch: Schweiss.
Collini fuhr in die
vierte Etage. Er suchte die Nummern ab, Zimmer 400, „Brandenburg
Suite“. Er klopfte.
„Ja?“
Der Mann im Türrahmen war fünfundachtzig Jahre alt, aber er
sah viel jünger aus, als Collini erwartet hatte. Schweiss rann Collini
den Nacken runter.
„Guten Tag,
Collini vom <Corriere della Sera>.“ Er sprach undeutlich und
fragte sich, ob der Mann einen Ausweis verlangen würde.
„Ja,
freut mich, kommen Sie doch bitte rein. Wir machen das Interview am besten
hier.“ Der Mann streckte Collini die Hand hin. Collini wich zurück,
er wollte ihn nicht anfassen. Noch nicht.
So
beginnt ein grossartiger Roman, in dem der Frage nachgegangen wird: Was
treibt einen Menschen, der sich ein Leben lang nichts hat zuschulden kommen
lassen, zu einem Mord? Es ist die Geschichte von Fabrizio Collini, eines
Italieners, der vierunddreissig Jahre lang bei Mercedes-Benz als Werkzeugmacher
gearbeitet hat. Er ist seinem Beruf fleissig, zuverlässig nachgegangen,
hat privat unauffällig und bescheiden gelebt. Doch eines Tages macht
er sich auf und ermordet in einem Berliner Luxushotel einen alten Mann.
Collini
gesteht zwar die Tat, aber über sein Motiv schweigt er beharrlich.
Die Ermittler stehen vor einem Rätsel. Auch Caspar Leinen, der junge
Pflichtverteidiger, kann die Mauer des Schweigens nicht durchbrechen.
Letztlich ist es so, dass Leinen einen Mann verteidigen muss, der eigentlich
nicht verteidigt werden will. Dies ist allerdings nicht die einzige Schwierigkeit
des Anwalts. Denn der Ermordete ist der Grossvater von Leinens bestem
Freund. So wird die Geschichte für den jungen Juristen schliesslich
zu einem veritablen Alptraum.
„Der
Fall Collini“ von Ferdinand von Schirach geht unter die Haut. Faszinierend
ist dabei nicht zuletzt der Widerspruch zwischen der ruhigen, unaufgeregten
Erzählweise sowie der explosiven Story. Dem Autor, der als Strafverteidiger
in Berlin arbeitet, ist mit diesem Band ein grosser Wurf gelungen. „Der
Fall Collini“ ist übrigens der erste Roman des 47-jährigen
Münchners. Zuvor war der Schriftsteller einem breiten Publikum bereits
mit Erzählungen aufgefallen.
Rolf
Wesbonk
Ferdinand
von Schirach *1964 in München ist ein deutscher Strafverteidiger
und Schriftsteller.
1964
in München geboren.
1974 - 1984 Jesuiteninternat Kolleg St. Blasien.
1984 - 1986 Bundeswehr.
1987 - 1991 Studium der Rechtswissenschaften in Bonn.
1992 - 1994 Referendariat am Oberlandesgericht Köln und am Kammergericht.
Seit 1994 Rechtsanwalt in Berlin.
Rolf
Wesbonk, Stäfa
rwesbonk@gmail.com
für Ihre Feedbacks
Rolf Wesbonk (rwe.)
Redaktioneller Mitarbeiter NZZ Sport
Geboren 1942 in Adliswil. Aufgewachsen im Sihltal. Nach der Lehre als
Fabrikspengler Weiterbildung an der Abendhandelsschule. Disponent im Anzeigen-Service
der NZZ. Von 1980 bis 2002 freier Mitarbeiter. Seither redaktionelles
Mitglied im Sport mit dem Schwergewicht Fussball. Autor von drei Kriminalromanen,
die in Zürich und Umgebung spielen - mit dem ehemaligen Fussballer
Dillmann als Protagonisten.
Archiv
März 2008: Gianrico Carofiglio, Das
Gesetz der Ehre
Juli 2008: Chris Harrison, Siesta italiana
August 2008: Jeffery Deaver, Die Menschenleserin
September 2008: John Harvey, Schlaf
nicht zu lange
Oktober 2008: Norbert Horst, Sterbezeit
November 2008: Michael Connelly, Kalter
Tod
Dezember 2008: Jilliane
Hoffman, Vater unser
Januar 2009: Sjöwall/Wahlöö,
Die Tote im Götakanal
Februar 2009: Richard Stark, Keiner rennt
für immer
April 2009: Esmahan Aykol, Scheidung auf
Türkisch
Mai 2009: Raymond Chandler, Der lange Abschied
Juni 2009: Petros Markaris, Die Kinderfrau
Juli 2009: Carl Hiaasen, Sumpfblüten
August 2009: Jan C. Wagner, Im Winter
der Löwen
September 2009: Peter Robinson, Verhängnisvolles
Schweigen
November 2009: David Peace, Tokio im
Jahre Null
Dezember 2009: Christiane Ritter, Eine
Frau erlebt die Polarnacht
Februar 2010: James Sallis, Dunkle Schuld
März 2010: Don Winslow, Frankie Machine
April 2010: Helen Tursten, Die Tote im
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Juli 2010: Ferenc Máté, Die
Hügel der Toskana. Mein neues Leben in einem alten Land
August 2010: Phillip Gwynne, Vor dem Regen
Oktober 2010: Pete Dexter, God's pocket
Dezember 2010: Ake Edwardson, Toter
Mann
Januar 2011: Elizabeth George, Wer dem
Tode geweiht
April 2011: Scott Turow, der letzte Beweis
August 2011: Friedrich Ani, Süden
September 2011: Marco
Malvaldi, Im Schatten der Pineta
November 2011: Paul
Temple, Wahrheit
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