Bernadette Reichlin, Wald, Kulturredaktorin der Zürcher Landzeitung, hat in der Ausgabe vom 17. Juni 2010 dieses Buch besprochen. Mit ihrer Erlaubnis darf ich den Text für Sie hier übernehmen.


Asta Scheib, Das Schönste, was ich sah
Hoffmann und Campe

412 Seiten Fr. 38.90

Buchbesprechung

Asta Scheib: «Das Schönste, was ich sah», Biografie des Malers Giovanni Segantini
.
Eine Liebesgeschichte, leider ohne Happy End


Aus einfachsten Verhältnissen stieg Giovanni Segantini zum «Alpenmaler» auf. Viel zu jung
starb er auf dem Schafberg, dem Hausberg Pontresinas.

Bernadette Reichlin


Es ist eine Liebesgeschichte, die nicht gut gehen kann:

Der staatenlose,mausarme,ungebildete Künstler Giovanni
Segatini (noch ohne «n» in der Mitte), der kaum lesen und schreiben kann, trifft auf die 16-jährige Luigia Bugatti, wohlbehütete und gebildete Tochter aus reichem Mailänder Bürgerhaus. Sie verliebt sich auf der Stelle in den scheuen jungen Maler mit dem schlechten Italienisch und den Augen, die denen eines hungrigen Wolfes gleichen.

Was dann folgt, entspricht allerdings nicht den Klischeevorstellungen der
Herz-Schmerz-Liebesromane: Luigias gutbürgerliche Eltern nehmen den Künstler, der anfänglich kaum ein rechtes Hemd am Leib hat, aber an der Akademie Brera in Mailand bereits durch sein Talent auffällt, herzlich auf und unterstützen das junge Glück nach Kräften.
Und «Bice», wie Giovanni Segantini seine geliebte Frau nennt, teilt mit ihrem wilden Maler ein Leben voller Entbehrungen, Demütigungen, Hoffnungen und später Erfolge. Sie zieht mit ihm von Ort zu Ort, unterstützt seine künstlerischen Pläne, bewundert seine Bilder und zieht mit ihm vier Kinder gross. Ohne Trauschein. Denn der staatenlose Segantini – 1865 stahl sich sein Heimatland aus der Verantwortung für den mutterlosen Knaben und entzog ihm die
österreichische Staatsbürgerschaft – misstraut sowohl der Kirche wie den staatlichen Instanzen.

Schlüsselszene


So beginnt denn auch die Romanbiografie «Das Schönste, was ich sah» von Asta Scheib mit dem Besuch eines Landjägers im Holzhaus der Segantinis in Maloja im Oberengadin. Wieder einmal soll sich der Maler ausweisen – obwohl die Behörden längst wissen, dass da keine Papiere vorliegen, dass der Maler mit den wilden Locken und dem schwarzen Bart nicht nur staatenlos ist, sondern auch in wilder Ehe lebt.
Die Journalistin und Romanautorin Asta Scheib stellt diese immer wiederkehrende
Schlüsselszene an den Anfang ihrer Biografie über Giovanni Segantini und skizziert damit das Umfeld, in dem Segantini trotz allem zu seiner künstlerischen Reife fand. Sie beschreibt auf fast dokumentarische und doch tiefgründige Art seine allmähliche Entwicklung zum international anerkannten «Alpenmaler», sein häusliches Umfeld und später seinen Traum, das ganze Engadin auf der Pariser Weltausstellung in einem gigantischen Pavillon zu präsentieren. Wie ein roter Faden zieht sich Segantinis Liebe zur schönen Bice durch
die Biografie, zur Mutter seiner Kinder, die ihrem Maler ein Leben lang treu zur
Seite steht. Ein Leben, das allerdings allzu abrupt beendet wird: Auf einer Tour auf den Schafberg oberhalb Pontresinas erkrankt der Maler an einer Bauchfellentzündung
und stirbt nach qualvollen Tagen. Im Alter von 41 Jahren.

Streng genommen darf der staatenlose Segantini nicht den grossen Schweizer Malern des 19. Jahrhunderts zugerechnet werden. Seine intensive Auseinandersetzung mit der Schönheit der Schweizer Berge rechtfertigt es aber, dass man ihn in eine Reihe stellt mit Albert Anker, der zurzeit im Kunstmuseum Bern ein eigentliches Revival erlebt, mit Ferdinand Hodler und Giovanni Giacometti, der überdies ein Schüler Segantinis war.


Archiv
Juni 2002 Enrico Danieli
Juli 2002 Bernhard Gurtner
August 2002 Erhard Taverna
September 2002 Hansruedi Gehring
Oktober 2002 Bernhard Gurtner
Januar 2003 Hans-Jakob Schmid
Februar 2003 Alfred Bollinger
März 2003 Bernhard Hess
April 2003 Erhard Taverna
Mai 2003 Jürg Steiner
September 2003 Enrico Danieli

Dezember 2003 Christian Scholz
Januar 2004 Katharina Zaugg
Februar 2004 Werner Müller

März 2004 Enrico Danieli
April 2004 Kurt Jenny
Dezember 2005 Bärbel Schnegg
Februar 2006 Martin Müller
Oktober 2006 Michael Ritter, Wien
August 2007 Michael Ritter, Wien
Oktober 2007 Bernadette Reichlin, Wald
Januar 2008 Fritz Coester, Wimmis
März 2008 Rolf Wesbonk, Stäfa
April 2008 Kurt Knobel, Stäfa
Mai 2008 Lotti Klaiber, Bern
Juli 2008 Rolf Wesbonk, Stäfa
September 2008 Annette Frommherz, Bubikon
Januar 2009 Peter Schindler, Zürich
Juni 2009 Almut Meier-Weinand, Zürich
Juli 2009 Paul Ott, Bern
Dezember 2009 Peter Wehrli, Bern
Februar 2010 Bernadette Reichlin, Wald
Mai 2010 Alfred Bollinger, Stäfa


OBEN