Die Journalistin Elisabeth Bardill-Meyer aus Tenna im Safiental hat mir die Erlaubnis gegeben, ihre Buchbesprechungen hier abzudrucken. Ganz herzlichen Dank!


Fünf Besprechungen für Sie:
Aline Valangin, drei Romane
Daniel Grob, Ein Polizist
Edith Gartmann, Schongebiet
Alex Capus, Susanna
Peter Beeli, Wolfseisen


Aline Valangin,
Die Bargada
Limmat Verlag
224 Seiten Fr. 30.00 bitte mit Mail bestellen


Aline Valangin,
Casa conti
Limmat Verlag
224 Seiten Fr. 34.00 bitte mit Mail bestellen


Aline Valangin, Tessiner Erzählungen
Limmat Verlag
320 Seiten Fr. 37.50 bitte mit Mail bestellen



Vor 80 Jahren im Tessin

Die Geschichten der Autorin Aline Valangin (1889-1986) zeigen einstige Lebensformen im Tessiner Onsernone Tal, wie sie von ihr persönlich wahrgenommen wurden. Die Aussenseiterin kam in nahen Kontakt mit der Bevölkerung. Während dem Zweiten Weltkrieg lebte sie in Comologno und schrieb Erzählungen und Romane. Einfühlsam beobachtend und mit sprachlichem Geschick hielt sie Gesellschaftsgeschichte des südlichen Alpentals fest. Als nichtbetroffene Frau von Patriarchat und ökonomischer Abhängigkeit, die damals noch selbstverständlich waren, spann sie ihre Geschichten über die Menschen, ohne sie zu verletzen. Deren Leben und Sterben, Arbeit und Brauchtum haben Aline Valangin wohl selber sehr berührt, sodass sie viele Geschehnisse schreibend verarbeitete. Ihre Verbundenheit mit dem bäuerlichen Leben, ja einem traditionellen Lebensstil, spürt man in den zwei Romanen wie in den Erzählungen, welche in den vierziger Jahren erschienen sind, durch und durch. Die Autorin ist in Bern aufgewachsen und schrieb in deutscher Sprache. «Die Bargada», «Casa Conti» und «Tessiner Erzählungen» - wenn man das eine Buch liest, will man die anderen auch lesen, da es sich je um eine besondere Familiengeschichte handelt. Es geht um Haus und Hof, Besitzanspruch, Erbschaft, Vermögen, Auswanderung, Rückkehr, Stad-Land Graben, Fortschritt durch die Talstrasse… Es kommen erfüllte und unerfüllte Liebschaften vor aber auch Neid, Schlauheit und Streitigkeiten in den vielschichtigen Beziehungen. Es ist das volle Leben in einer Talschaft, wo die betriebsame kleine Stadt nahe liegt. – Die Autorin war eine weltgewandte Frau, befreundet mit der Avantgarde der Künste. Sie war Schriftstellerin, Pianistin und Psychoanalytikerin, lebte in Zürich, Comologno und zuletzt in Ascona.

Empfohlen von Elisabeth Bardill
22. Oktober 2022




Daniel Grob, Ein Polizist
Zytglogge Verlag
184 Seiten Fr. 29.00 bitte mit Mail bestellen

Ein Polizist auf weiter Flur


Im Roman von Daniel Grob handelt es sich um kranke Tiere. Seuchen bei Tieren waren in den Siebzigerjahren ein wiederkehrendes Thema. Wer kümmerte sich darum, wer traf Entscheidungen zur Art der Krankheitsbekämpfung? Handelte es sich um Wildtiere, Haustiere oder gar Schmusetiere? Wo und bei wem lagen die Handlungskompetenzen? Der Polizist Konrad Bühler war sich seiner Sache sicher, was Tiere betraf. Er kannte sich in Verhaltensweise und Krankheitssymptomen bei Reh, Katze oder Hund aus. Im Herzen war er ein Bauer. Der behördliche Hintergrund bereitete ihm in dieser Seuchenangelegenheit schlaflose Nächte. Einige Konfliktherde kamen zusammen und er wusste nicht mehr, wer Feind oder Freund war. Er fühlte sich allein auf weiter Flur? Tierarzt, Wildhüter, Werkdienstleiter, Tierfreunde, Vorgesetzte, Hausbewohner und Amtssekretärin mischten in diesem Fall alle mit. «Wir brauchen keine Zustimmung. Sie sind bei uns immer noch als Tollwut-Beauftragter registriert, Bühler, daran wird auch eine Kommission nichts ändern können.» Die ausholende Erzählweise führt zum Berufsbild eines für alles verantwortlichen Polizisten einer Kleinstadt in der Schweiz. Die Verknüpfung von Berufs- und privatem Familienleben und die Beschreibung der Fabrikumgebung mit Fabrikanten-Villa und den dazugehörigen Kosthäusern lassen vor dem inneren Auge eine kleine Welt erstehen, in der es Heil und Unheil gab. ---
Der Autor Daniel Grob, geboren 1956 in Basel, aufgewachsen in Bülach und heute wohnhaft in Biel, unterrichtet erzählendes Schreiben, macht mit Erwachsenen und Kindern Theater und tritt selber auf. Er wurde mit dem Kulturpreis der Stadt Langenthal ausgezeichnet.

Empfohlen von Elisabeth Bardill
25. Oktober 2022




Edith Gartmann, Schongebiet
Edition Bücherlese
96 Seiten Fr. 30.00 Info/bestellen

Schongebiet

Schauplatz des Romans ist ein Weiler in einem Bünder Tal. Aus der Sicht des 10-jährigen Schulmädchens Lisa gibt es den Alltag mit dem kleinen Bruder Paul und den Eltern auf dem Bauernhof. Die Lehrerin im Dorf unten wie der Postchauffeur, der alles über Alaska und die Bären weiss sind wichtige Bezugspersonen. Grossmutter und Grossvaters Haus liegt hinter der Wiese, hinter dem Wald, hinter dem Tobel. Die beiden dort haben keine Geschichtenbücher, auch keine anderen Bücher, die Geschichten haben sie im Kopf. Lisa setzt sich zu Grossvater auf das schmale Sofa neben dem Stubenofen unter den ausgestopften Gämsenkopf, horcht den Jagdgeschichten, die sich mit der fiktiven Landschaft verbinden, die das Sofa mit der Decke darstellt. Grossmutter erzählt immer von einer armen, kranken Mutter, die zum Glück eine gute und duldsame Tochter hat. – Das einfache Leben in seiner Ursprünglichkeit wird der Leserschaft in bildhafter Sprache nahegebracht, ohne Überzeichnungen und Schönmalerei. Die feinfühligen Wahrnehmungen des Mädchens sind nachvollziehbar. Sie lassen in die Kinderseele blicken. Das grosse Schweigen der Erwachsenen, wenn es um tiefgründige Lebensbereiche geht wie ein früh verstorbenes Kind, namens Liseli, oder die Schwermut der Mutter, die tagelang andauert, sind Fragen, die das Kind beschäftigen. Es gibt Geheimnisse, über die man sich ausschweigt um einander zu schonen. Der Vater ist wortkarg und arbeitet. Lisa denkt, dass er seine Sorgen eher in Wut verpackt. Die Mutter erlebt helle Momente, wenn der Nachbar aus dem Unterland zum Kaffee herüberkommt.
Die Autorin Edith Gartmann, geboren 1967, wuchs im Safiental auf. Nach der Ausbildung zur Kindergärtnerin in Chur, gönnte sie sich Lehr- und Wanderjahre in der Schweiz, Deutschland, Frankreich und England. Sie besuchte die neue KUNSTschule Basel mit Schwerpunkt Malerei und absolvierte den Literaturlehrgang an der SAL Zürich. Heute lebt sie in Basel. Edith Gartmanns Roman könnte auch ihre eigene Geschichte sein, wenn sie nicht einige Elemente, die ihr jedoch nicht fremd sind, eingefügt hätte. Das schmucke Buch von 112 Seiten legt man ungern aus den Händen oder beginn mit Lesen nochmals von vorne. «Schongebiet» ist ein Kleinod der neuen Schweizer Literatur.

Empfohlen von Elisabeth Bardill

Tenna, 16. November 2022



Alex Capus, Susanna
Hanser Verlag
288 Seiten Fr. 31.30 Info/bestellen



Susanna – Roman von Alex Capus
Mit einem tollkühnen kleinen Mädchen im Alter von fünf Jahren beginnt der Roman vor historischem Hintergrund. Die Handlung geht in die letzten Jahre des Söldnerwesens in der Mitte des 19. zurück. Susannas Biografie fängt in Basel an, führt nach New York und North Dakota. Die Bürgerstochter geht ihren ungewöhnlichen Weg als emanzipierte Frau, teils von ihrer Mutter geleitet, teils in konventionellem Berufsalltag bis zum Entscheid, sich mit ihrem dreizehnjährigen Sohn auf den abenteuerlichen Weg zu Häuptling Sitting Bull zu machen. Dieser unterstützt den Widerstand seines Volkes gegen die Landnahme der US-amerikanischen Regierungspolitik. – Der Autor Alex Capus verstand es wiederum meisterhaft, zeitbedingt gesellschaftliche Normen zu beschreiben und wie man daraus aussteigen konnte. Der Ehemann suchte die Freiheit in der Fremdenlegion, seine Angetraute brachte den Mut zur Scheidung auf und die Tochter Susanna das Selbstverständnis, als alleinerziehende Mutter das Leben zu bestehen. Die Charaktereigenschaften der einzelnen Figuren sind so treffend geschildert, dass man erkennt, was in ihnen vorgeht und wie sie von ihren Nächsten wahrgenommen werden. Oftmals ist es nur ein winzig kleines Detail, wie der Kutscher sich einen Kuss seiner Angebeteten ersehnt, wie es sich anhört, wenn einer Speiseresten zwischen den Zähnen heraussaugt, wie eine Grossmutter dank ihrem Enkel aufblüht, wie ein Junge für seine Mutter in einem besonderen Augenblick plötzlich als Mann dasteht. Der Autor stellte das persönlich gefärbte Alltagsleben dar, im Wissen, dass es gleichzeitig weltverändernde Entwicklungen gab wie die Algerienkonflikte, den Bau der Brooklynbridge, Edisons Glühbirnen oder die Massaker im Dakota-Territorium. - Mit seinen Romanen und Geschichten weckt Capus die Neugierde an der Weltgeschichte. Er verbindet das Kleine mit dem Grossen dank seiner Recherchen und persönlichen Erfahrungen im Bereich des Menschlichen.

Empfohlen von Elisabeth Bardill

Tenna, 20. November 2022


Peter Beeli, Wolfseisen
Zytlogge Verlag
304 Seiten Fr. 34.00 bitte mit Mail bestellen

Wolfseisen – Davoser Totenreigen

Ein Roman von Peter Beeli versetzt die Leserschaft in den Winter1430 nach Davos. Die Walser Einwanderer hatten sich in der Landschaft Davos auf den von ihnen errichteten Höfen angesiedelt. Die Familiengeschichte handelt in einer Zeit, da die gesellschaftlichen Strukturen noch nicht so klar definiert waren. War der Mann, das Haupt der Familie ein freier Mensch oder immer noch Untertan von Feudalherren, die in ihren Burgen und Schlössern hausten? Das Söldnerwesen blühte, denn es war die Möglichkeit für Bauernsöhne, der Landarbeit auf kargem Boden mit schneereichen Wintern zu entfliehen um ein abenteuerliches Soldatenleben in der Ferne zu fristen. Die Familie mit drei Söhnen und einer Tochter, Ursula, war bitterarm. Alle schufteten für den Erhalt der kleinen Nutztierherde und für die eigene karge Ernährung. Das Wildern war unumgänglich, doch die Wölfe machten es den Leuten nicht leicht. Grausame Todesfallen, sogenannte Wolfseisen, wurden gestellt. Diese Fallen hatten Bedeutung im Leben der Familie. – Ein Pferd kam allein nachhause zurück. Die Mutter starb elend an Hunger nach ihrem harten Arbeitsleben. Der älteste Sohn spielte sich als Herrscher über Brüder und Schwester auf. Ursulas Schicksal war trostlos, bis zu einem gewissen Tag. Der Vogt kam im Frühling mit seinen Folterknechten ins Tal um Blutgericht zu halten. Das Töten und Sterben wollte kein Ende nehmen. – Der Autor Peter Beeli, geboren 1965, lebt am Hallwilersee. Der weitausholende Roman liest sich wie ein Krimi. Es gibt im Ablauf der Geschichte zu Recht einige unklare Stellen. Das Verhältnis von Landammann, Volk, Vogt und Pfarrer lässt einige Fragen offen. Die Sprache in der Geschichte war rau, das Leben und die Zeiten damals waren rau. Die zur Verfügung stehenden Quellen sind spärlich.

Empfohlen von Elisabeth Bardill
Tenna 21. November 2022



Elisabeth Bardill



Elisabeth Bardill-Meyer kam 1941 im aargauischen Auenstein zur Welt und wuchs danach in Küsnacht am Zürichsee auf. Nach der Ausbildung zur Kindergärtnerin an der Neuen Mädchenschule Bern war sie in Bubendorf BL tätig. Nach der Heirat mit einem Bündner Lehrer zog sie nach Tenna ins Safiental und später nach Schiers. Sie hat vier Söhne und fünfzehn Enkel. Während vieler Jahre unterrichtete sie im Bildungszentrum Palottis Schiers in den Fächern Erziehungslehre, Werken und Gestalten. Seit 2004 lebt Elisabeth Bardill mit ihrem Mann wieder in Tenna. Sie arbeitet freischaffend journalistisch für Zeitschriften, Zeitungen wie auch regelmässig für die „Terra Grischuna“, schreibt Bücher und gibt diese selber unter „edition bardill“ heraus. Es handelt sich stets um Porträts von Menschen in Graubünden.



Elisabeth Bardill, Männer und Frauen verwurzelt in Graubünden

Edition Bardill
Fr. 30.00 bitte mit Mail bestellen



Elisabeth Bardill, Bauernstolz und Bauerntum
Edition Bardill, 2008 Fr. 35.00 bitte mit Mail bestellen

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