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Die
Journalistin Elisabeth Bardill-Meyer aus Tenna im Safiental hat mir die
Erlaubnis gegeben, ihre Buchbesprechungen hier abzudrucken. Ganz herzlichen
Dank!
Fünf Besprechungungen für Sie:
Margrit Cantieni, 1941. Liebe in herzlosen Zeiten
Ursula Brunold-Bigler, Kräuterland Graubünden
Matthias Frehner, Hundert Jahre Club zur Geduld
Rico Kessler, Stolze Kühe, krumme Rüebli
Cordula Flegel, Bauernlandschaft
Margrit Cantieni, 1941. Liebe in herzlosen Zeiten
Emons Verlag
304 Seiten Fr. 20.00 Info/bestellen
Liebe in herzlosen Zeiten
Tausende polnische Soldaten wurden auf der Flucht vor der deutschen
Wehrmacht 1941 in der Schweiz interniert. Die Personen im neuen Roman
von Margrit Cantieni sind frei erfunden, bis auf den General Bronisklaw
Prugar, Abschnittskommandant Paul Engi und den Kommandanten der Strafanstalt
Wauwilermoos. Die Handlung basiert auf dem historischen Hintergrund der
Kriegsjahre 1941 bis 1945. Am Anfang wurden die Soldaten von den Einheimischen
wohlwollend aufgenommen, doch bald kippte die Einstellung der Schweizer
Bevölkerung. Die Männer wurden in Arbeitslagern zu harter Arbeit
eingesetzt. Sie bauten Fahr- und Wanderwege im Berggebiet oder leisteten
Waldarbeit. Während dieser Jahre lebten sie nach strengen Regeln
des Bundes: «Befehl über die Beziehungen der Zivilbevölkerung
zu den Internierten.» Beidseits mussten die aufgelisteten Punkte
befolgt werden, um nicht mit Gefängnis bestraft zu werden. Trotzdem
kam es zu Liebesbeziehungen zwischen Männern aus den Lagern und jungen
Frauen in deren Umfeld. Die Gesellschaft richtete Argusaugen auf solche
Beziehungen. Noch lange war in der Nachkriegszeit «Polenkind»
der Ausdruck für das Kind einer alleinerziehenden Mutter. –
Die Autorin hat sorgfältig recherchiert und den Wandel in der Gesellschaft
der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts selber erlebt und interessiert
mitverfolgt. Sie kennt die Auswirkungen der Liebe in herzlosen Zeiten,
sowohl in der Vergangenheit wie in der Gegenwart. Ihre Geschichte macht
hellhörig auf Kriegs- und Nachkriegszeiten, vor allem beim Wandern
auf den so genannten «Polenwegen» in Graubünden und andern
Landesteilen.
Margrit Cantieni beschreibt das Schicksal einer solchen Liebe in herzlosen
Zeiten. Marek und Sofia begegneten sich im Domleschg. Die Seminaristin
und der Lagersoldat verliebten sich ineinander. Kein Feuer, keine Kohle
kann brennen so heiss, als heimliche Liebe, von der niemand nichts weiss!
Doch nach den ersten Glücksmomenten begann für die Liebenden
ein Leidensweg. Ächtung, Zweifel, Ängste und Sehnsucht durch
freiwillige und unfreiwillige Trennung blieben nicht aus. Die Rollen von
Mann und Frau waren damals noch im engen Rahmen festgelegt. Marek liebte
seine Heimat, seine Familie im polnischen Dorf, Sofie die ihre beim Vater
in Rofels. Zerwürfnisse blieben nicht aus. Das männliche Selbstverständnis,
dass die Frau mit dem Mann geht, stand gegen das realistische Denken der
jungen Frau und Mutter. Diese wusste, dass sie bei einer Heirat das Schweizer
Bürgerrecht verlieren würde. Der Gang auf Ämter war für
Frauen vor der Erneuerung des Eherechts 1988 demütigend. Sofia ging
diesen Weg mit seltsamen Gefühlen. Marek stiess an die Grenzen seiner
Verzweiflung.
Empfohlen von Elisabeth Bardill
Tenna, 5. Juni 2023
Margrit
Cantieni Chur
Ursula Brunold-Bigler, Kräuterland Graubünden
Verlag Hier & Jetzt
432 Seiten, 264 farbige Abbildungen Fr. 59.00 bitte
mit Mail bestellen
Kräuterland Graubünden
«Für
alles ist ein Kraut gewachsen.» Die Vernissage der Wissenssammlung
in Buchform fand im Bündner Naturmuseum statt. Museumsdirektor Ueli
Rechsteiner begrüsste die Autorin und Historikerin Ursula Brunold-Bigler.
Das Kräuterwissen von ihr ist im Werk von der Antike bis in die Gegenwart
vereint. Die durch Klima, Topografie, Geologie und Landnutzung bedingte
Fülle arzneilich verwendeter Pflanzen vermag auch angesichts der
Erfolge moderner Spitzenmedizin zu beeindrucken. Im häuslich privaten
Umfeld dienen heilende Gewächse der Gesundheit von Menschen und Tieren.
In Schaugärten, auf Kräuterwanderungen und Lehrpfaden, Kursen
und anspruchsvollen Wildpflanzenkochbüchern sind wildwachsende und
kultivierte Kräuter in neuen Sinnzusammenhängen erfahrbar. –
Ursula Brunold schuf ein wunderbares Buch, das Erinnerungen vieler Vormütter
und -väter enthält. Die Verwendung von Kräutern bei der
Ernährung und deren Anwendung bei Krankheiten waren bei armen Menschen
zur Selbsthilfe wichtig. Die Historikerin ging einerseits den überlieferten
Geschichten nach und hielt andrerseits fest, was sich in der Gegenwart
tut. Sie kam durch verschiedene Quellen auf interessante Spuren. So vermittelte
Johann Barandun in seinem Kräuterbuch von 1719 Heilwissen über
den Hartriegel: Gurgeln mit der Abkochung der Blätter hilft bei Halsgeschwüren,
während Spülungen Mund und Zahnfleisch reinigen. Als Heiltrank
stillt die Abkochung den Durchfall und heilt den Scharbock bekannt als
Skorbut. In Trient gewann man durch Auskochen der Beeren ein Lampenöl,
was auf die Armut der Bevölkerung verweist. Diese Information stammt
aus Mattiolis Kräuterbuch. Berühmtheiten wie Hildegard von Bingen
oder Kräuterpfarrer Künzle werden oft zitiert und haben manchmal
gegensätzliche Meinungen.
Im Werk sind die früheren wie die heutigen Anwendungen farblich unterscheidbar
aufgezeichnet. Aufgelockert werden die beschriebenen Pflanzen mit zusammenhängenden
Texten über naturkundige Menschen und deren Geschichten und Empfehlungen.
Pflanzenregister und Bibliografie sind hilfreich und machen das Buch zur
wahren Fundgrube. Aussergewöhnlich sind auch die Illustrationen von
Pia Roshardt-Meinherz (1892-1975). Sie geben dem Werk die poetische Ausstrahlung
und Stimmung. Die handgemalten Pflanzen führen in die spannenden
Texte der legenden- und sagenkundigen Autorin hinein. Auch vom Druck her
ist das Buch ein künstlerisch gestaltetes Kleinod.
Die Historikerin Dr. Ursula Brunold schreibt im Vorwort: Der seit den
1970er-Jahren in unterschiedlichen Bereichen feststellbaren intensivierten
Anwendung von Kräutern liegt ein einziger starker Ansporn zugrunde:
«Zurück zur Natur». Liegen dahinter nur weltfremde Nostalgie
und Geschäftstüchtigkeit? Die ältesten und historisch bedeutendsten
Arzneien der Menschheit werden langsam, aber sicher wieder ihren angestammten
Platz in der Schulmedizin einnehmen.
Elisabeth Bardill
Tenna, 19. Juni 2023
Legende: Foto E. Bardill
Bruno Meier, Verleger; Dr. Ursula Brunold, Historikerin und Christiane
Mani, Churer Medizinalgarten im Gespräch
Matthias
Frehner, Hundert Jahre Club zur Geduld
Chronos Verlag
152 Seiten Fr. 39.00 bitte mit
Mail bestellen
Hundert Jahre Club zur Geduld in Winterthur
Begegnungsort des gehobenen Bürgertums. Oskar Reinhart (1885-1965)
hat Winterthur mit seiner weltberühmten Kunstsammlung geprägt.
Er war auch Gründer des Clubs zur Geduld. Winterthur ist dank Reinharts
mäzenatischen Schenkungen eine internationale Kunststadt mit mehreren
Kunstmuseen geworden. Der Autor, Historiker, Redaktor und Kurator Matthias
Frehner ist persönlich verbunden mit der Sammlung Oskar Reinhart
und war selber Clubmitglied vor seiner Umsiedlung nach Bern. Zum Hundertjahrjubiläum
hat er in einem edlen Bildband die Geschichte des Clubs dokumentiert.
Vom Kauf des Hauses an bester Lage in der Altstadt bis zur Gründung
des Clubs, der während 75 Jahren nur ausgewählt männlichen
Mitgliedern Zugang gewährte. Reinhart war alleinstehend, das Clubleben
war für ihn Familienersatz. Er ging bei allen seinen Unterfangen
nach einem Gesamtplan vor, bei dem es ihm nicht nur um seine persönlichen
Bedürfnisse ging, sondern auch darum, «etwas Einzigartiges
für die Stadt zu schaffen.»
So wie er es in London gesehen und erlebt hatte, wurden im Haus verschiedene
Sektoren eingerichtet: Speiseräume, eine Bar, ein Lesezimmer, ein
Sitzungszimmer, ein Billardraum, ein Vortrags- und Ballsaal sowie eine
Bibliothek. Einzigartig wurde der Club zur Geduld durch die Gemälde.
Es sei Reinharts Absicht gewesen, mit seinen Kenntnissen und seinem Besitz
den Menschen zu dienen. Er übereignete die Kunstwerke der Öffentlichkeit,
damit sie auf die Gesellschaft einen positiven Einfluss ausüben können.
Die Liegenschaft war sein Eigentum, der Club seine Schöpfung. Diese
Tatsache liess er die Mitglieder nie spüren.
Das Buch birgt die Innenansicht eines ganz besonderen Hauses, das heute
Eigentum des Clubs mit gut 400 Mitgliedern ist. Matthias Frehner stellt
auch die enthaltenen Kunstwerke vor. Hochkarätige Fotografien von
Thomas Telley vom Innern des Hauses wie von Einrichtungsgegenständen
und Gemälden bestätigen in der Wahrnehmung das Gesamtkunstwerk.
Dessen Bedeutung für das Leben der Stadt wird vielfältig beleuchtet.
Der Club bietet Wirtschaft, Kultur und Politik Möglichkeiten, daselbst
Gäste aus dem In- und Ausland zu empfangen. Das Buch gibt Interessierten
Einblick in die bürgerlich moderne Lebenswelt einer Elite.
Empfohlen von Elisabeth Bardill
Tenna, 1. Juli 023
Rico Kessler, Stolze Kühe, krumme Rüebli. Unser
Leben als Kleinbauern
Verlag Hier & Jetzt
160 Seiten Fr. 36.00 bitte mit
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Stolze Kühe, krumme
Rüebli
Unser Leben als Kleibauern: «Meinen ersten Eindruck vom Hof Berg
werde ich nie vergessen. Das war der Hof unserer Träume. In einem
Reisebuch, das während kanadischer Wandermonate entstanden war, hatte
ich Jahre zuvor meinen Traumort gezeichnet. Hier war fast alles versammelt,
was ich damals skizziert hatte: die Zufahrt auf der Naturstrasse, die
Hoflage am sanften Hang, die Waldnähe, der Obstgarten und sogar der
Bach, der durch die Wiesen murmelt.» Rico Kessler hat ein Buch geschrieben
über das selbstgewählte Leben mit seiner Partnerin Claudia auf
einem Kleinbauernhof im Baselbieter Jura. Die Lektüre mutet an, wie
ein Flurgang durch ein Vierteljahrhundert Agrarpolitik und ländliche
Entwicklung in der Schweiz. Die persönliche Geschichte ist darin
eingebettet. Es geht um Tiere, Pflanzen, Landschaften, Menschen. Als Geschäftsführer
von Pro Natura Aargau gab der Autor seinen Arbeitsplatz für den neuen
Lebensplan auf. Es wirkt alles so romantisch, ist es aber mit den vielerlei
Herausforderungen nicht. – In vierzehn Kapiteln sind die einzelnen
Stall-, Hof- und Feldarbeiten geschildert. Was unterhaltsam zu lesen ist,
entpuppt sich als ein Lehrgang über Arbeitsabfolgen, Erkenntnisse
und Erfahrungen. Alte und neue Betriebsformen werden überdacht und
kombiniert angewendet. Die morsche Dachpappe über der Holzwerkstatt
wird ersetzt. Die Fleckviehkuh Pipi wurde 17 Jahre alt und brachte zehn
gesunde Kälber zur Welt. Die Pflanzung eines Zwetschgenbaums in der
Weide: Ein Gitter schützt die Wurzeln des Jungbaums vor Mäusefrass.
Einen Teil des Kuhmistes wird kompostiert, um die Aufzucht- und Gartenerde
zu gewinnen.
Rico Kessler und Claudia Staubli nähern sich dem Moment, in dem der
Hof in neue Hände übergehen wird. Das Pensionsalter erscheint
am Horizont, die Söhne sind flügge, stehen jedoch beruflich
nicht fern der Landwirtschaft. Es stellen sich wichtige Fragen. Der Historiker
und die gelernte Landwirtin haben über die Jahre viel erlebt und
gelernt. Eines Tages wird es einen sanften Druck von der Politik geben,
um den Traktorschlüssel an den Nagel zu hängen und die Heugabel
in die Ecke zu stellen. Wer im AHV-Alter ist, kann keine Direktzahlungen
mehr beziehen. Das Bauern wird dann nicht nur für die müden
Knochen beschwerlich, sondern auch unerschwinglich, schreibt Kessler im
letzten Kapitel des fröhlich/ernsten Buches. Dieses enthält
die Befürwortung für eine lebensdienliche Landwirtschaft, an
der viele Menschen teilhaben können.
Empfohlen von Elisabeth Bardill
Tenna, 10.
Juli 2023
Cordula Flegel, Bauernlandschaft. Wie Familienbetriebe
die Bayerischen Alpen prägen
AT Verlag
256 Seiten Fr. 44.00 bitte mit
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Bauernlandschaft: Familienbetriebe prägen die Alpen
Die bäuerliche Identität und Kreislaufwirtschaft weist Gemeinsamkeiten
in unterschiedlichen Alpenregionen auf, sei das in Bayern, Vorarlberg
oder Graubünden.
Die Fotojournalistin Cordula Flegel lebt mit ihrer Familie am oberbayrischen
Schliersee und befasst sich vor allem mit alpinen Lebensmitteln, Naturräumen
und Handwerk. Sie schreibt unter anderem Reportagen über die Alpwirtschaft
und jetzt erschien ihr Buch mit 13 Hofporträts. In bäuerlichen
Praktiken lassen sich viele Tätigkeiten und Traditionen, die in den
Familien weitergegeben werden, handwerkliche Methoden und soziale Konzepte
entdecken, die nachhaltig sind und weiterentwickelt werden. In gebündelter
Art erfährt man im Text/Bildband eine Vielzahl an Einzelheiten über
Ursprung, Nutzung und Eingriffe in die Natur. Eine Andeutung für
die Themenvielfalt: Alpwirtschaft und Tourismus, Besiedlung, bäuerliche
Architektur, wie die Familien in den Besitz ihrer Höfe gelangten,
Strukturwandel in der Landwirtschaft, regionale Produkte und ländliche
Feste, Milchpreis und Eigeninitiative, Artenvielfalt und Naturschutz,
Vieh- und Waldwirtschaft, Berglandwirtschaft, behornte und enthornte Kühe,
Kreislaufwirtschaft… Der Garten voller Gemüse, die Kuh auf
der Weide die ihr Kalb leckt, Vater und Mutter mit ihren Kindern, das
alleinstehende Gehöft sind aussagekräftige Bilder.
Gedanken über Geschichte und Zukunft einer gefährdeten Lebensform
kommen auf. Nach der bildreichen Einführung durch die Jahreszeiten
und allgemeingültigen Texten kommen die Porträts. Das Buch schenkt
Einblick in unterschiedlich geführte Betriebe und deren Bewirtschaftung.
Diese hängt, durch Umstände bedingt, von vielen Zusammenhängen
und Möglichkeiten ab. Der jeweilige Betriebsspiegel fehlt nicht.
Die Texte sind realistisch, die Fotografien wecken Sehnsüchte nach
Ursprung, sinnhafter Lebensform, elementarem Spüren von Luft, Wasser,
Feuer und Erde.
Empfohlen von Elisabeth Bardill
Tenna, 20. Juli 2023
Elisabeth Bardill
Elisabeth Bardill-Meyer kam 1941 im aargauischen Auenstein zur
Welt und wuchs danach in Küsnacht am Zürichsee auf. Nach der
Ausbildung zur Kindergärtnerin an der Neuen Mädchenschule Bern
war sie in Bubendorf BL tätig. Nach der Heirat mit einem Bündner
Lehrer zog sie nach Tenna ins Safiental und später nach Schiers.
Sie hat vier Söhne und fünfzehn Enkel. Während vieler Jahre
unterrichtete sie im Bildungszentrum Palottis Schiers in den Fächern
Erziehungslehre, Werken und Gestalten. Seit 2004 lebt Elisabeth Bardill
mit ihrem Mann wieder in Tenna. Sie arbeitet freischaffend journalistisch
für Zeitschriften, Zeitungen wie auch regelmässig für die
„Terra Grischuna“, schreibt Bücher und gibt diese selber
unter „edition bardill“ heraus. Es handelt sich stets um Porträts
von Menschen in Graubünden.
Elisabeth Bardill, Männer und Frauen verwurzelt
in Graubünden
Edition Bardill
Fr. 30.00
bitte
mit Mail bestellen
Elisabeth Bardill, Bauernstolz und Bauerntum
Edition Bardill, 2008 Fr. 35.00 bitte mit Mail bestellen
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