|
Die
Journalistin Elisabeth Bardill-Meyer aus Tenna im Safiental hat mir die
Erlaubnis gegeben, ihre Buchbesprechungen hier abzudrucken. Ganz herzlichen
Dank!
Besprechungen für Sie:
Tina Ackermann, Frauen auf der Flucht
Douna Loup, Verwildern
Flurina Pothoven, Schafe am Horizont
Tina
Ackermann, Frauen auf der Flucht
Rotpunkt Verlag Fr. 29.00
Bitte per Mail
bestellen
Frauen auf
der Flucht
Wer sie sind und was sie erlebt haben und warum es zur Flucht kam. Darüber
hat Tina Ackermann ein Buch geschrieben und gibt damit Frauen auf der
Flucht wieder ein Gesicht. Während zweier Jahre hat sie geflüchtete
und flüchtenden Frauen aufgesucht. Sie hat sie befragt aber nicht
nachgebohrt. Ziel dieses Buches ist es zum Verständnis beizutragen,
denn hinter den enormen Flüchtlingszahlen verbergen sich lauter einzelne
Schicksale. Flüchtende sind mit zwei Helfertypen konfrontiert: Die
mitfühlenden, die viel an Hilfe bieten können aber oft nicht
das Entscheidende. Sie sehen in den fliehenden und geflüchteten Menschen
gefährdete, benachteiligte hilfsbedürftige Opfer und prangern
die lebensbedrohlichen Fluchtwege und Zustände in den Flüchtlingslagern
an. Die Empörung ergiesst sich in den Medien, richtet sich an Hilfsorganisationen
und Regierungen. Daneben agieren Schlepperorganisationen, die ein gefährliches,
einträgliches Geschäft betreiben. Es stellt sich die Frage,
wer hinter den eigentlichen Schlepperpersonen steht und das grosse Geld
verdient. – Die Erlebnisse flüchtender Frauen unterscheiden
sich von denjenigen der Männer. Frauen sind mit vielfältigeren
Risiken wie geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt. Das im Herkunftsland,
auf der Flucht und in Flüchtlingslagern. Es sind junge Mütter,
junge Witwen, hoffnungsvolle Teenager, gebildete Frauen, Frauen, die ein
schönes Leben hinter sich liessen, Analphabetinnen, Sexsklavinnen,
Frauen, die unterwegs Kinder bekommen… traurige und verschlossene
Frauen aber auch solche mit Humor und Selbstbewusstsein. Ihnen ist gemeinsam
die Trauer, Angst aber auch Hoffnung auf ein Leben in Sicherheit und Freiheit,
von dem sie nur vage Vorstellungen haben. – Ein Buch, das etwas
bewegen und zu einem differenzierteren Verständnis beitragen kann.
Empfohlen von Elisabeth Bardill
Tenna, den 18. Mai 2024
Douna Loup, Verwildern
Limmat Verlag Fr. 30.00
Bitte per Mail
bestellen
Der Weg durch die Verwilderung
«Niemand wird sich mehr an meine Erinnerungen erinnern. Niemand
wird sich mehr an die Nacht erinnern, an die nackte Nacht unter dem Moos.
Man muss alles darlegen, die Schichten des Lebendigen verzeichnen und
sie benennen, so wie man Steine zu kleinen Haufen auftürmt, um einen
Weg zu markieren.» Ein Teil der Natur sein, nahe der losen Erde
der Felder, im Sand am See, hoch oben in den Baumkronen, durch die Tage,
durch Wald und Wiesen streifen gehören zu den wegweisenden Erinnerungen
einer jungen Frau. Die prägenden Erlebnisse der Kindheit wurden zur
Stärke. Die Kunst zu leben schöpft sie aus einer bedingungslosen
Hingabe an den Wald, in dem sie die Vielfalt von Fauna und Flora kennenlernte.
Sie wehrte sich nicht gegen die Verwilderung, ja genoss sie in vollen
Zügen. «Ich schwimme nackt allein im grossen See. Bis zu den
glatten Felsen. Ich lege mich auf den Rücken und ruhe mich in der
Maisonne aus. Die Sonne kneift meine Augen zusammen und mein Glück
knurrt wie ein Tier.» Mit ihrer Mutter lernte die Jugendliche unterwegs
weise Menschen kennen, die es verstanden, den Dingen einen Namen zu geben
durch Schrift und Gespräch. Mutter und Tochter gingen weiter, arbeiteten
als Hilfskräfte auf Höfen und in Fabriken. Die Liebe erwachte,
zum eigenen Körper, zu einem unbekannten Hund, zu Menschen, die mit
ihrer Lebensart auch durch eine Verwilderung gingen. Der verschollene
Bruder wurde gefunden, nachdem sich die Mutter von der Tochter entfernt
hatte.
Die Autorin Douna Loup wurde 1982 in Genf geboren. Ihre Eltern waren Marionettenspieler.
Sie verbrachte ihre Kindheit und Jugend in Frankreich, arbeitete in Madagascar
und lebt heute in Nantes. Sie steht ein für Naturerlebnisse im Kindesalter
und in der Adoleszenz. Schönheiten und Schrecken der Natur sind nicht
allein Misstöne des Lebens. Sie lassen sich in die eigene Wirklichkeit
einfügen. Der Roman wurde zu einem Kunstwerk, in welchem sich Ideale
als Wirklichkeit manifestieren und sich mit dem rationalen Lebensfeld
verbinden. Der Roman, in Form einer Novelle ist kurz und klar aufgebaut
und öffnet einen überaschenden Blick auf die heilende Kraft
des Verwilderns. Aus dem Französischen übersetzt von Steven
Wyss.
Empfohlen von Elisabeth Bardill
Tenna, den 3. Juni 2024
Flurina
Pothoven, Schafe
am Horizont
BOD Verlag Fr. 46.50
Bitte per Mail
bestellen
Schafe am Horizont – Alp Gadriola GR
Flurina Pothoven-Zürcher erzählt aus ihrem Leben. Heute lebt
sie mit ihrem Mann im bernischen Schwarzenburgerland. Seit 2021 bewirtschaftet
das Paar einen «Bergheimat Bio-Landwirtschaftsbetrieb».
Die Schafe verlangten von Flurina ihre ganze Aufmerksamkeit, immer und
überall. Den ganzen Tag lang. Das ständige Beobachten, das Dasein
und die stete Achtsamkeit liessen sie abends müde sein. Mit ihren
Erinnerungen in Buchform gelang es ihr, ein langanhaltendes Bild einer
ruhig weidenden Schafherde in spannende Worte zu fassen. Es entstand eine
Laudatio auf die ältesten domestizierten Haustiere. Wissen und Weisheit
eignete sich die Hirtin durch persönliche Erlebnisse, Beobachtungen
und Erfahrungen an. Als junge Frau, als Hirtin allein im Gebirge eine
Schafherde zu betreuen, führte zur selbständigen unabhängigen
Lebensform. Sie musste ihre eigene Hütetechnik entwickeln. Flurina
lernte Unterschiede zwischen den Schafen, deren Charaktere und Blökrufe,
erkennen. An einigen Tagen waren die Tiere ruhiger, an anderen nervöser.
Ihr Verhalten war vom Futterangebot und der Witterung abhängig. Jede
neue Weide wie auch das Zusammenspiel mit den Hunden wurden zur Herausforderung
für die Hirtin. Auf schmalen Pfaden, die sich engkurvig den Berg
hochschlängelten, bei Sommerhitze, im wohltuenden Schatten, bei sintflutartigem
Regen, wo Bäche polterten, Donner grollte oder auf einer schmalen
Brücke, die gegen das Drängen der Schafe unstabil wirkte, gab
es kein Erbarmen in der Gesetzlosigkeit der Naturmächte und -kräfte.
Das Hirtenvolk steht im Angestelltenverhältnis der landbesitzenden
Bauernschaft. Auf der Schafalp Gadriola im bündnerischen Hinterrheintal
hörte die Hirtin den Namen Bruno. Dass es sich um Bruno Manser, den
im Urwald Verschollenen handelte, wurde vom Alpmeister bestätigt.
Zwei Lebenswege trafen aufeinander. Bruno war Jahre zuvor auch am Berg
Guggermüll, 2886 m ü. M. Schafhirt. Flurina Pothoven bewegte
sich auf den Erinnerungsspuren ihres Vorgängers, dessen Lebensphilosophie
für sie in früher Jugend prägend war. Sie beschrieb die
endlose Unberührtheit und dramatischen Momente. Sie würzte ihre
Texte mit einzelnen Gedichten über ihre jeweilige Gefühlslage.
Die Begegnungen mit Jägern während der Hochjagd empfand sie
eher als Störung und wich diesen Männern aus. Tier- und Landschaftsbeschreibungen,
Hüttenleben und Seelenstimmungen lassen sich beinahe miterleben.
Mit Feingefühl und Sprachsinn entstand ein spannender Bericht mit
sprechenden Fotos in schwarz/weiss über ein ausserordentliches Lebensfeld.
Empfohlen von Elisabeth Bardill
Tenna, den 16. Juni 2024
Elisabeth Bardill
Elisabeth Bardill-Meyer kam 1941 im aargauischen Auenstein zur
Welt und wuchs danach in Küsnacht am Zürichsee auf. Nach der
Ausbildung zur Kindergärtnerin an der Neuen Mädchenschule Bern
war sie in Bubendorf BL tätig. Nach der Heirat mit einem Bündner
Lehrer zog sie nach Tenna ins Safiental und später nach Schiers.
Sie hat vier Söhne und fünfzehn Enkel. Während vieler Jahre
unterrichtete sie im Bildungszentrum Palottis Schiers in den Fächern
Erziehungslehre, Werken und Gestalten. Seit 2004 lebt Elisabeth Bardill
mit ihrem Mann wieder in Tenna. Sie arbeitet freischaffend journalistisch
für Zeitschriften, Zeitungen wie auch regelmässig für die
„Terra Grischuna“, schreibt Bücher und gibt diese selber
unter „edition bardill“ heraus. Es handelt sich stets um Porträts
von Menschen in Graubünden.
Elisabeth Bardill, Männer und Frauen verwurzelt
in Graubünden
Edition Bardill
Fr. 30.00
bitte
mit Mail bestellen
Elisabeth Bardill, Bauernstolz und Bauerntum
Edition Bardill, 2008 Fr. 35.00 bitte mit Mail bestellen
|