Die Journalistin Elisabeth Bardill-Meyer aus Tenna im Safiental hat mir die Erlaubnis gegeben, ihre Buchbesprechungen hier abzudrucken. Ganz herzlichen Dank!

Hier finden Sie ein Interview mit Elisabeth Bardill


Besprechungen für Sie:

Andrej Kurkow, im täglichen Krieg
Philipp Gurt, Melodie der Einsamkeit
Peter Bergmann, Strupf wird Samichlaus-Esel
Lea Catrina, My boy Taschenbuchausgabe
Lea Catrina, Waldbad


Andrej Kurkow, im täglichen Krieg
Haymon Verlag Fr. 31.50
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Im täglichen Krieg
Andrej Kurkow, der bekannte Schriftsteller der Ukraine, kämpft für sein Land. Seit dem 24. Februar 2022 heulen die Luftalarmsirenen mehrmals täglich. U-Bahn-Stationen sind zu Zufluchtsorten geworden. Die Menschen erleben unsägliche Verbrechen und Verluste. Sie haben aber auch Wege gefunden, mit der zum Alltag gewordenen Ausnahmesituation umzugehen. Andrej Kurkow schreibt beharrlich während der Explosionen in der Nacht und in jeder unruhigen Sekunde, bis die Bewohner und Bewohnerinnen der Ukraine frei sind. Es ist bereits ein Buch entstanden, das er den Soldatinnen und Soldaten der ukrainischen Armee widmet. Die Ereignisse hat er bis am 24. April 2024 festgehalten. Mit Sicherheit bringt der Autor weiterhin zu Papier, was ein Krieg anrichtet, was er verändert und umdeutet. Der Schock weicht der Gewissheit über die Notwendigkeit, einig zu sein und Widerstand zu leisten. In kurzen Kapiteln erzählt Kurkow aus dem Alltag: Neujahr auf dem Flur, die Zeit der Kerzen ist gekommen, Reisepässe und der Krieg, Kellerkinder und streunende Hunde, Linien- und Höhenflüge, leere Strassen und Heldenhaftigkeit, Busenfreunde oder Nachbarschaftshilfe, Kugelhagel, Gefangenenaustausch, Regen, Schnee und Asche, Hochzeiten und Beerdigungen, Tränen der Freude und der Trauer oder wie sieht der Sieg aus?
Andrej Kurkow: „Der Krieg geht weiter. Ich hatte gehofft, in diesem Buch beschreiben zu können, wie der Krieg endet, wie die Ukrainer jubelten als die von den russischen Besatzern eroberten Gebiete befreit wurden, vom Wiederaufbau der zerstörten Städte und Dörfer. Meine Hoffnung deckt sich nicht mit der Realität. Sie zwingt die Ukrainer, ihre letzten Energiereserven anzuzapfen und einen felsenfesten Glauben zu bewahren. Es gibt Momente, die den Hauch eines Danach hoffen lassen – auch wenn sich ein Krieg keine Sekunde vergessen lässt.“ Das Buch wurde aus dem Englischen übersetzt von Rebecca DeWald.
Empfohlen von Elisabeth Bardill

Tenna, 2. Dezember 2024


Philipp Gurt, Melodie der Einsamkeit
Atlantis Verlag Fr. 24.90
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Melodie der Einsamkeit
«Mit einem letzten Blick in seine vier Wände verliess er das Haus. Er setzte sich aufs Rennrad und radelte gedankenversunken und in gemächlichem Tempo die leicht ansteigende Loëstrasse Richtung Fürstenwald hoch. Am Waldrand angekommen setzte er sich auf eine Parkbank und blickte über die Wiesen und Felder aufs Tal und die Stadt hinunter. Lukas fühlte sich vertrieben und vom Leben verraten.» Was ist es für ein Zustand, wenn man von einem Tag auf den andern von niemandem mehr wahrgenommen wird? So geschah es dem 39-jährigen Lukas am 4. Mai, Tag null. Er hatte einen Termin in der Buchhandlung, wo die grosse Irritation begann. Er selber war bei sich und konnte alles real erleben, doch dabei musste er feststellen, dass er für alle Menschen unsichtbar geworden war. Er selber hörte, sah, roch und erlebte die Wirklichkeit. Der Zustand hielt an. Er ass und trank, fuhr Velo und ging zum Einkauf in die Läden. Das wurde für ihn zum Schlaraffenland, da er alles mitnehmen konnte. Das Fehlende wurde vom Personal weder bemerkt noch vermisst. Die zentrale Figur Lukas erlebt Vergangenes und Gegenwärtiges in einer ausserordentlichen Klarheit wie nie zuvor. Seine gescheiterten Liebesbeziehungen wie seine Kindheit laufen wie ein Film ab. Er besucht seine Eltern in Guarda. Er hört zu, wie sie ihren Sohn vermissen, wie sie fortan zwischen Warten Hoffen und Trauern leben. Lukas verzieht sich für längere Zeit allein ins Gebirge und hat Zeit zum Nachdenken über sich selber, die anderen und die Welt. Die Melodie führt durch die luxuriöse Wohnung, durch das Bauernhaus bis in die Hinterhöfe des sozialen Elends. Die Unmöglichkeit, überhaupt noch mit Menschen in Kontakt zu kommen, hat ihn von der Welt ausgeschlossen. Unverschwunden zu sein und zu bleiben führt Lukas in drückende Einsamkeit bis zur Verzweiflung.
Der Bündner Autor Philipp Gurt, geboren 1968, schrieb seinen Roman über eine unerklärte Erscheinung, die aus dem normalen Seelenleben heraustritt. Der begabte Erzähler hat eine neue Form für seine Geschichte gewählt. Die Poesie des Alltäglichen führt zum Lesegenuss und in den grossen Spannungsbogen über die Phase in der Lebensmitte eines Mannes. In unnachahmlicher Art ist es Gurt gelungen, Herzens- und Verstandessache als Melodie zu komponieren.
Empfohlen von Elisabeth Bardill

Tenna, den 24. November 2024


Peter Bergmann, Strupf wird Samichlaus-Esel
Zytglogge Verlag Fr. 32.00
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Tenna, den 20. November 2024

Ein Bilderbuchklassiker in fünfter Auflage
Strupf wird Samichlaus -Esel

Geburt, Aufwachsen auf dem Hof, Spiel und Arbeit eines Esels, der eines Tages vom Samichlaus entdeckt wird, ist Inhalt einer Bilderbuchgeschichte. Die wunderbare Legende des alten Mannes, der am 6. Januar aus dem Wald in Städten und Dörfern erscheint, um Kinder mit Nüssen, Lebkuchen und Mandarinen zu beschenken, kommt uns mit ihrem Wahrheitsgehalt nahe. Den Reichtum mit den Armen zu teilen, war vor tausend Jahren nur eines von vielen Anliegen des Nikolaus. Er wurde Heilig gesprochen und bleibt als St. Nikolaus in Erinnerung. Zahlreiche Wunder-Geschichten ranken sich um sein Leben. Der Besuch vom Samichlaus, der mit seinem Esel von weit her zu Besuch kommt, ist in vielen Schweizer Regionen ein alter Brauch. In diesem Buch ist der übermütige junge Esel Strupf die Hauptfigur, der zum Samichlaus-Esel auserkoren wird. – Peter Bergmanns Weg, geboren 1937, verlief aus der Schulstube zur Malerei. Die Natur wurde für ihn die Einladung zum Malen und Erzählen. Er verbindet Traum und Pädagogik zur Wirklichkeit. Er zeigt das Zusammenleben von Mensch und Tier in der intakten Natur. Er führt Kinder und Interessierte an die Kunst heran und vermag deren Einfühlung und Wahrnehmung, zu vertiefen.
Empfohlen von Elisabeth Bardill

Tenna, den 20. November 2024


Lea Catrina, My boy Taschenbuchausgabe
Diogenes Verlag Fr. 19.00
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My Boy – der Verlauf einer Kinderfreundschaft

Ein Roman, der in die Zeit fällt. Rona lebt und arbeitet im Silicon Valley bei San Francisco, Charlie ist in der Modewelt unterwegs. Beide kommen aus einem Bergdorf, wo es früher wenige Kinder gab. Ihre Häuser lagen nicht weit voneinander entfernt. Sie hatten denselben Schulweg und trainierten im Eiskunstlauf. Sie glitzerten gemeinsam unter der Eishallenbeleuchtung, Charlie etwas mehr als Rona. Als Erwachsene werden sie unterschiedlich von Erinnerungen heimgesucht. Der schillernde Charlie kennt keine Grenzen in seiner luxuriös globalen Lebensform. Konventionen kann er charmant oder aufdringlich durchbrechen. Das Geld spielt keine Rolle. Er vergisst nie, dass er ein Künstler ist und dauernd Flüchtiges erschafft. Rona arbeitet seriös im Team für eine Lifestyle-App. Bei all ihrem Tun, ihren Gedanken und Reisezielen geht es um Charlie. Sie sagt: «Über mich gibt es nicht viel zu sagen. Aber jeder interessiert sich für Charlie, wenigstens alle, die ihm einmal begegnet sind.» Die aufreibende Beziehung wird in den Gesprächen der beiden verdeutlicht. Alberne Abenteuer bringen das zerbrechliche Vertrauen ständig ins Wanken. – Die Bündner Autorin Lea Catrina übernahm die Sprache der aktuellen Luxusgesellschaft. Die Anglizismen kommen im Roman vor, weil sie für viele junge Menschen zum charakteristischen Merkmal im digitalen Weltverständnis geworden sind, so in Kalifornien wie auch im alpinen Ferienparadies.
Empfohlen von Elisabeth Bardill

Tenna, den 30. November 2024


Lea Catrina, Waldbad
Aris Verlag Fr. 29.90

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Waldbad – ein Ferienort hier oder dort
«Sie haben wieder Waldbad-Plakate am Strassenrand aufgehängt. Darauf bunte Wanderer, verdreckte Biker und verdammt glückliche Familien am See.» Als wäre das Alles, was in Waldbad vor sich geht.» Im Roman von Lea Catrina ist Luan, ein junger Angestellter, die Hauptfigur. Er ist ein Alleskönner und für seinen Chef eigentlich unentbehrlich. Das Haus mit Ferienwohnungen, Garten und Pool ist ein Ort voller Geheimnisse und Spekulationen für Luan. Er sieht die Luxuswelt der Feriengäste mit dem Blick von unten. Luan macht sich bei der vielseitigen Arbeit dauernd Gedanken über seine Umwelt, das Dorf, die Menschen und die Bewohner der Wohnungen, in denen er dies und jenes vorbereiten und auch reparieren muss. Seine eigene Unterkunft im Ferienhaus von Müllers genügt ihm eigentlich. Fünf Hotels sind in den letzten Jahren verschwunden, verkauft, abgerissen und in Zweitwohnungen umgebaut und dann verkauft worden. Luan macht sich Gedanken über Jenny, die auf der Couch liegt, während er den Badewannenabfluss repariert und über das Girl mit dem Auto der Marke Maserati. Auch Emilio und seine Frau sowie der Optiker, die nur gelegentlich ihre Wohnungen benutzen, beschäftigen Luan bei seinen Dienstleistungen. Seine Neugierde wird ihm eines Tages zum Verhängnis. Er hat jedoch auch sein Freizeitleben und seine Freunde. Die schwangere Nelly und Tino suchen dringend eine Wohnung, was aussichtslos ist im touristisch ausgerichteten Dorf. Ein Meteorit, eine Höhlenbesichtigung, Luans kleiner Bruder Johnny und allerlei Zwischenfälle kommen vor. – Der Roman ist in der Ich-Form geschrieben, zieht einen hinein ins Leben eines Einheimischen mit vielen Gedanken.

Zur Autorin, Lea Catrina
Lea Catrina ist eine Bündner Schriftstellerin. Sie lebt in Flims Waldhaus, wo sie geboren und aufgewachsen ist. Der Titel «Waldbad» hat nicht unbedingt mit ihrem Wohnort zu tun. Die Geschichte kann in irgendeinem luxuriösen Ferienort angesiedelt sein. An solchen Orten gibt es Angestellte im tieferen Lohnsegment, die nur schwer eine bezahlbare Wohnung finden. Im aktuellen Roman ist der Übertourismus zum Thema geworden. Die Autorin ist darin aufgewachsen, wo die Saison, Geschäft, Verkehr, Wohneigentum, Glanz und Glamour eine Rolle spielen. Es entstehen Reibungspunkte und Fragen durch Kontraste. Lea Catrina lebte während zweier Jahre in San Francisco. In der Ferne gewannen die Begriffe Glück, Heimat, Verwurzelung und Zugehörigkeit an Bedeutung. Es wuchs eine gewisse Dringlichkeit heran, darüber zu schreiben. Wenn sie eine Grundidee hat, dann sammelt sie kleine Schnipsel am Wegrand ihres Lebensfeldes und notiert sie. Aus diesen Teilen entstehen zusammenhängende Geschichten. Sie ist aufmerksam in ihrem Alltag und komponiert aus vielen Wahrnehmungen, Streiflichtern und Ereignissen ihre Geschichten. Diese entsprechen deshalb der Wahrheit und spielen in der Gegenwart. Ihre Figuren werden zu Persönlichkeiten wie im richtigen Leben. Mit feinem Gespür für die Gesellschaft und ohne zu moralisieren, führt sie der Leserschaft ein Zeitbild vor Augen, das zum Nachdenken führt. Die Thematik der sozialen Schichten in grossen Ferienorten liegt ihr am Herzen, denn der Wandel spitzt sich zu. Mit ihrem neusten Roman «Waldbad» stösst sie auf die politische Ebene vor.
Empfohlen von Elisabeth Bardill
Tenna, den 20. Dezember 2024





Elisabeth Bardill

Elisabeth Bardill-Meyer kam 1941 im aargauischen Auenstein zur Welt und wuchs danach in Küsnacht am Zürichsee auf. Nach der Ausbildung zur Kindergärtnerin an der Neuen Mädchenschule Bern war sie in Bubendorf BL tätig. Nach der Heirat mit einem Bündner Lehrer zog sie nach Tenna ins Safiental und später nach Schiers. Sie hat vier Söhne und fünfzehn Enkel. Während vieler Jahre unterrichtete sie im Bildungszentrum Palottis Schiers in den Fächern Erziehungslehre, Werken und Gestalten. Seit 2004 lebt Elisabeth Bardill mit ihrem Mann wieder in Tenna. Sie arbeitet freischaffend journalistisch für Zeitschriften, Zeitungen wie auch regelmässig für die „Terra Grischuna“, schreibt Bücher und gibt diese selber unter „edition bardill“ heraus. Es handelt sich stets um Porträts von Menschen in Graubünden.



Elisabeth Bardill, Männer und Frauen verwurzelt in Graubünden

Edition Bardill
Fr. 30.00 bitte mit Mail bestellen



Elisabeth Bardill, Bauernstolz und Bauerntum
Edition Bardill, 2008 Fr. 35.00 bitte mit Mail bestellen

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